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Das Thema Vom Klosterwissen zum Volkswissen

Stand: 16.04.2014 | Archiv

Im Juli-August blüht das Johanniskraut | Bild: picture-alliance/dpa

Mit der Erfindung des Buchdrucks fand ab dem späten 15. Jahrhundert eine Vielzahl von Kräuterbüchern Verbreitung. Waren Kenntnisse über Heilpflanzen und ihre Wirkung bislang meist klösterliches Expertenwissen gewesen, das nur in lateinischer Sprache vorlag, wurden sie nun breiteren Bevölkerungsschichten, die die Gelehrtensprache nicht beherrschten, zugänglich.

Frühe Drucke des Verlegers Peter Schöffer (ca. 1425-1503), eines Mitarbeiters Gutenbergs, sind die Kräuterbücher Herbarius Moguntinus (1484), Gart der Gesundheit (1485) und Hortus Sanitatis (1491). Sie verließen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit in Mainz die Presse. Allein im Gart der Gesundheit werden etwa 380 Arzneipflanzen beschrieben, insgesamt sind in den drei Büchern etwa 800 Heilmittel enthalten. Die bebilderten Medizinwerke wurden bis weit ins 16. Jahrhundert nachgedruckt.

Der protestantische Prediger, Botaniker und Arzt Hieronymus Bock (1498-1554) widmete sich unter anderem der Naturbeobachtung, 1539 erschien in Straßburg Das Kreütter Buch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen, sampt jhren Früchten, so inn Deutschen Landen wachsen Durch H. Hieronymum Bock auss langwiriger vnd gewisser erfarung beschriebe.

Im Jahr 1542 legte der Tübinger Medizinprofessor Leonhard Fuchs (1501-66) seine De Historia Stirpium, eine umfangreiche Naturgeschichte der Pflanzen vor. Ein Jahr später folgte - auf Deutsch - das New Kreüterbuch. Fuchs versuchte, zeitgenössisches Wissen über die Wirkkräfte der Pflanzen mit klassischen Schriften, vor allem von Galenus, in Einklang zu bringen (Neo-Galenismus). Dass in anderen Werken oft die gleiche Abbildung für verschiedene Pflanzen verwendet wurde und ein Namenswirrwar bei Heilkräutern bestand, missfiel dem Gelehrten. Er bemühte sich deshalb um Genauigkeit und legte Wert auf einen präzisen Text-Bild-Zusammenhang in seinen Büchern. Doch bis Botaniker tatsächlich "eine Sprache sprachen", sollte noch viel Zeit vergehen. Erst der schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707-78) legte taxonomisch wichtige Merkmale von Pflanzen fest.

Mehr als 20 Auflagen im Zeitraum 1557 bis 1783 ereichte das Kräuterbuch des Philosophen und Mediziners Adam Lonitzer (1528-86). Beschrieben sind Pflanzen und Pilze unter medizinisch-pharmazeutischem Blickwinkel, zudem legte er Wert auf Standortbeschreibungen und Erkennungsmerkmale.

Verdrängung pflanzlicher Heilverfahren

Bis ins späte 19. Jahrhundert waren Pflanzen für Mediziner und Apotheker unverzichtbar. Dies änderte sich mit dem Aufschwung der chemischen Industrie. Heilmethoden des Mittelalters wurden nun als "Wunderheilerei" belächelt. Mit der Entdeckung des Penicillins durch den schottischen Bakteriologen Alexander Fleming (1881-1855) rückten Mikroorganismen in den Fokus und wurden beispielsweise auf eine antibiotische Wirkung getestet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt viel Aufmerksamkeit dem Drug Design, der maßgeschneiderten, computergestützten Anfertigung von Medikamenten. Gelegentlich aufkeimendes Interesse an Pflanzenheilkunde geriet schnell unter Esoterik-Generalverdacht.


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