Bayern 2 - radioWissen


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Download-Service Einsatz im Unterricht

Stand: 08.06.2015 | Archiv

Vorarbeit

Lernziele: Der Wiener Kongress beendet das napoleonische Zeitalter mit dem Versuch, eine dauerhafte Nachkriegs- und Friedensordnung zu schaffen. Neun Monate lang, vom Herbst 1814 bis zum Juni 1815, ringen die angereisten Monarchen und Staatsmänner um die territoriale Neuordnung Europas und ein austariertes, stabiles Mächtegleichgewicht. Obwohl der Kongress mit dem Legitimitätsprinzip die Monarchien stärkt und liberal-nationale Strömungen verwirft, ist der Vorwurf einer nur rückwärtsgewandten, reaktionären Restauration nicht gerechtfertigt. Im Zentrum stand vielmehr ein zukunftsweisendes Konzept: Der Kongress sollte alles, "was die französischen Abtretungen und deren neue Zuordnung und Struktur betraf, abschließend so regeln, dass daraus ein wirkliches und dauerhaftes Gleichgewicht in Europa hervorgehen könne" (Duchhardt). Trotz erheblicher Interessenskonflikte und Rivalitäten verständigen sich die Großmächte daher auf ein gemeinsam garantiertes Sicherheitssystem, das eine vierzigjährige Friedensperiode ermöglichte. Angesichts der aktuellen Diskussion um die Wertung des Wiener Kongresses und des Vorwurfs einer vermeintlich reaktionären, fortschrittsfeindlichen Grundtendenz regt der Radiobeitrag auch dazu an, die Belastbarkeit dieser Etikettierung zu hinterfragen. Die Schülerinnen und Schüler

  • gewinnen einen Überblick über die Ereignisse nach dem Ende der Ära Napoleons,
  • erkennen im Wiener Kongress den Versuch einer umfassenden Neuordnung Europas nach den Wirren der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege,
  • werden mit der Vorgeschichte, dem Anlass, dem Verlauf, den Zielen und Ergebnissen sowie wichtigen Akteuren des Wiener Kongresses vertraut,
  • begreifen die Herstellung und Sicherung einer auf dem Gleichgewicht der Mächte basierenden, stabilen Friedensordnung als wesentliches Anliegen der Kongressteilnehmer,
  • lernen das Prinzip der Legitimität als Leitidee des Kongresses kennen,
  • erfassen, weshalb sich Metternich und die führenden Köpfe vehement gegen den Durchbruch nationaler und liberaler Strömungen widersetzen,
  • verstehen, warum die Gründung des Deutschen Bundes die nationalen und liberalen Kräfte bitter enttäuscht und einen zunehmenden Gegensatz zwischen fürstlicher Restauration und bürgerlicher Emanzipation einleitet,
  • werden angeregt, die Etikettierung des Kongresses als durchwegs reaktionäre, fortschrittsfeindliche, rückwärtsgewandte Zementierung des monarchischen Systems zu hinterfragen.

Einsatz im Unterricht

Hinführung zum Thema: Als Einstieg in die Stunde kann die Lehrkraft zunächst allgemein auf die Funktion und Bedeutung von Friedensverhandlungen und Nachkriegsordnungen eingehen. Je nach Altersstufe und Vorwissen kann dabei entweder eine Alltagssituation (Streit unter Freunden oder in der Familie) oder ein konkretes geschichtliches Ereignis den Ausgang bilden ("Was macht ihr, wenn ihr gestritten habt und euch wieder vertragen wollt?" oder "Was muss geschehen, damit die einstigen Feinde nach einem Krieg wieder aufeinander zugehen können?"). Die Lehrkraft fordert die Schüler auf, Meinungen und Vorschläge zu formulieren. Wichtige Begriffe wie "Friedensverhandlungen", "Gerechtigkeit", "Strafe", Aussöhnung", "Wiedergutmachung", Schadensersatz", "Friedenssicherung" werden auf der Tafel gesammelt.
In einem zweiten Schritt kann die Lehrkraft konkret auf die Situation nach dem Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig überleiten. Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, die durch Napoleon geschaffenen Veränderungen und die Folgen der Niederlage zu rekapitulieren. Alternativ kann eine Gruppe oder ein einzelner Schüler ein kurzes Überblicksreferat halten. Die Klasse sollte am Ende dieser Phase wissen, dass

  • die von Napoleon beziehungsweise gegen ihn geführten Kriege 20 Jahre dauerten und ganz Europa erfassten,
  • Napoleon zahlreiche Ländergrenzen verändert, neue Königreiche geschaffen und alte Herrscherhäuser gestürzt hatte,
  • viele europäische Staaten verkleinert und andere vergrößert wurden,
  • das Heilige Römische Reich und der Rheinbund aufgelöst wurden.

Nachdem die Nachkriegssituation umrissen wurde, weist die Lehrkraft darauf hin, dass das von Napoleon hinterlassene Trümmerfeld aufgeräumt, eine neue Ordnung gefunden und ein stabiler Friede geschaffen werden musste: "Genau diese Aufgabe übernahm ein Kongress in Wien, an dem die Vertreter von über 200 europäischen Staaten, Institutionen und Städten teilnahmen. Was auf diesem Kongress geschah, wie er zustande kam, wie er verlief und was dabei herauskam, hören wir uns jetzt gemeinsam an."

Nacharbeit

Nachbearbeitung: Die Arbeitsblätter und Arbeitsaufträge dienen der Festigung des im Radiobeitrag vermittelten Wissens und der Vertiefung aufgeworfener Fragen im Unterrichtsgespräch. Sie können entweder in Einzelarbeit, von Arbeitsgruppen oder im Klassenverband beantwortet werden. Die Ergebnisse werden im Plenum ergänzt und korrigiert. Die Sendungsausschnitte können zur Motivation und thematischen Strukturierung des Unterrichtsgesprächs oder als Ergänzung der Arbeitsblätter eingesetzt werden. Das Glossar erläutert zentrale Begriffe des Beitrags. Das Textblatt "Der glorreiche Augenblick" ist ein Zeitdokument, das die in den Kongress gesetzten Hoffnungen und Erwartungen illustriert. Arbeitsblatt 1: "Das große Aufräumen - Voraussetzungen, Ziele und Akteure des Wiener Kongresses. Das Arbeitsblatt fasst die Vorgeschichte, den Anlass, die Absichten und Leitfiguren des Kongresses sowie wichtige Eckdaten knapp zusammen. Hilfestellungen bei der Bearbeitung und ergänzende Informationen bietet Audio-Ausschnitt 1: "Aufräumarbeiten: Der Anlass des Wiener Kongresses". Arbeitsblatt 2: "Nie wieder Krieg! - Europa auf der Suche nach einer dauerhaften Friedensordnung". Die Schülerinnen und Schüler halten fest, dass die Sicherung des Friedens durch ein Gleichgewicht der Mächte, die Restauration der legitimen Herrschaften und die Abwehr liberal-nationaler Bewegungen im Mittelpunkt der Bestrebungen des Wiener Kongresses stehen. Hilfestellungen bei der Bearbeitung und ergänzende Informationen bieten Audio-Ausschnitt 1: "Aufräumarbeiten: Der Anlass des Wiener Kongresses" und Audio-Ausschnitt 2: "Stabilität und Sicherheit: Leitideen des Wiener Kongresses". Arbeitsblatt 3: "Länderschächer oder Friedenssicherung? - Die Neuordnung Europas nach Napoleon". Das Arbeitsblatt wirft ein Schlaglicht auf die zahlreichen Probleme der politisch-geografischen Neuordnung der europäischen Verhältnisse. Mit dem Ringen um die künftige staatliche Gestaltung Polens, den preußischen Ansprüchen auf Sachsen und dem Ringen um die Einflusssicherung in Italien lernen die Schülerinnen drei Brennpunkte kennen, die den Kongress zeitweilig an den Rand eines erneuten Krieges führen. Hilfestellungen bei der Bearbeitung und ergänzende Informationen bietet Audio-Ausschnitt 3: "Minenfelder: Zank um die Zukunft Polens und Sachsens". Arbeitsblatt 4: "Die deutsche Frage: Geeinter Nationalstaat oder lockerer Staatenbund?". Das Arbeitsblatt beleuchtet die Entstehung des Deutschen Bundes als Versuch, die innere und äußere Sicherheit Deutschlands durch eine Föderation souveräner Staaten zu gewährleisten. Die Schülerinnen und Schüler lernen, dass diese föderative Lösung die Hoffnungen national-liberaler Kreise auf einen geeinten Nationalstaat enttäuschte und eine zunehmende Opposition gegen die als reaktionär empfundene Nachkriegsordnung provozierte. Arbeitsblatt 5 - Textblatt: "Der glorreiche Augenblick":Das Blatt bietet den Text der von Ludwig van Beethoven komponierten und am 29. November 1814 in Anwesenheit aller versammelten Monarchen uraufgeführten Kantate "Der glorreiche Augenblick". Der Text ist ein Zeitdokument, das die vom Kongress geweckten Hoffnungen illustriert und als Einstieg in die Stunde verwendet werden kann.

Lehrplanbezug

Lehrplan für die bayerische Mittelschule
7. Jahrgangsstufe
GSE, 7.6 Die Französische Revolution; 7.6.1 Ursachen und Phasen der Revolution - Kritik an der Ständegesellschaft, von der Monarchie zur Republik, Radikalisierung der Revolution
8. Jahrgangsstufe
GSE, 8.2 Industrielle Revolution und nationale Einheit; 8.2.2 Die nationale Einheit: 1848 Versuch der Einheit "von unten", 1871: Nationale Einheit "von oben"

Lehrplan für die bayerische Realschule
8. Jahrgangsstufe
Deutsch, 8.4 Mit Texten und Medien umgehen: Einblick in die Literaturgeschichte gewinnen (Bezug zwischen Autor/Autorin, Text und Lebensumständen an einem weiteren geeigneten Beispiel aus dem 18. oder frühen 19. Jahrhundert)
Geschichte, 8.3 Grundlagen der Moderne: Die Französische Revolution und ihre Folgen (die Auflösung der ständischen Gesellschaft und der Verfall der absolutistischen Ordnung, Phasen der Revolution, jeweilige Träger, gesellschaftliche Auswirkungen, Ausgreifen der Revolution; Übernahme und Weiterwirken revolutionären Gedankenguts), Napoleon und das Ende des alten Europas (Aufstieg und Kaisertum Napoleons; napoleonische Gesetzgebung als Vorbild, das Ende des alten Reiches 1806 und der Rheinbund, Entwicklung in den besiegten Staaten; Befreiung von der Fremdherrschaft, Bayern in der napoleonischen Zeit). 8.4 Widerstreit zwischen Restauration und Emanzipation (Wiener Kongress, Deutscher Bund, Revolution und Reaktion 1848/49 in Deutschland: nationale und liberale Bewegungen, Vormärz und Revolutionsjahr 1848)

Lehrplan für das bayerische Gymnasium
8. Jahrgangsstufe
Geschichte, 8.1 Europa im Zeitalter der Revolutionen: Ursachen (u. a. Aufklärung), Ausbruch und Verlauf der Französischen Revolution bis 1794, Kaisertum Napoleons, territoriale Veränderungen und innere Reformen in Deutschland, Nationalidee und Befreiungskriege, Wiener Kongress: europäische Neuordnung und Deutscher Bund, Restauration, liberale und nationale Bewegung, Revolution von 1848/49 unter Berücksichtigung der Vorgänge in Bayern. 8.4 Jahrgangsstufenbezogene exemplarische Vertiefungen: Anhand der jahrgangsstufenbezogenen exemplarischen Vertiefungen wiederholen die Schüler zentrale Inhalte unter veränderter, auch landesgeschichtlicher Perspektive und verknüpfen sie miteinander. Die angegebenen Themen können auch durch andere ersetzt werden, die sich z. B. aus einem Jubiläum, einem Gedenktag oder einem vergleichbaren Anlass ergeben.
9. Jahrgangsstufe
Deutsch, 9.4 Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen: Lesen und Verstehen exemplarischer Texte der Literatur vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart in ausgewählten Themenkreisen
11. Jahrgangsstufe
Deutsch, 11.4 Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen
Literatur der Klassik (Erfassen der Entwicklung der literarischen Klassik in Deutschland, philosophische Grundlagen der Aufklärung und Einfluss des deutschen Idealismus, bürgerliches Denken und aufgeklärter Absolutismus), Literatur der Romantik (Ideal der Volksdichtung), realistische Strömungen des 19. Jahrhunderts: Überblick über realistische Strömungen im 19. Jahrhundert (Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier, bürgerlicher Realismus, Naturalismus, Analysieren gedanklich anspruchsvoller Texte zu aktuellen gesellschaftspolitischen und ethisch-philosophischen Fragen)
Geschichte, 11.1 Gesellschaft im Wandel (15. bis 19. Jahrhundert). 11.1.1 Leben in der Ständegesellschaft des 15. bis 18. Jahrhunderts. 11.1.2 Leben in der entstehenden Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts
12. Jahrgangsstufe
Geschichte, 12.1.2 "Volk" und "Nation" als Identifikationsmuster: "Volk" als Konstrukt eines Geschichtsbildes (Rolle historischer Ursprungsmythen bei der "Erfindung der Nation" in späteren Epochen, die moderne Nationsvorstellung als neue, antiständische Integrationsideologie seit der Französischen Revolution, Probleme der Nationalstaatsbildung am Beispiel der deutschen Einigung im 19. Jahrhundert)


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