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Charles de Gaulle Das Thema

Stand: 22.09.2010

Es war kein Staatsbegräbnis, als am 12. November 1970 Regierungschefs aus aller Welt der Trauerfeier für General de Gaulle in der Pariser Kathedrale Notre-Dame beiwohnten. Der Verstorbene hatte es so in seinem Testament gewünscht. In seinem Heimatort Colombey-les-Deux-Eglises, einem Dorf an der Grenze zwischen Lothringen und der Champagne nahmen tausende am Grab Abschied von dem Menschen und dem Politiker, der fast 30 Jahre lang das politische Schicksal Frankreichs und auch der Welt mitgestaltet hatte.

Herkunft und Ausbildung

Charles-Andre-Joseph-Marie de Gaulle wurde am 22. November 1890 geboren. Als drittes von fünf Kindern des Ehepaars Henri und Jeanne de Gaulle. Charles wuchs in einer bürgerlich-katholischen Familie auf, sein Vater war Französischlehrer an einem Gymnasium. Die Familie väterlicherseits stammte aus Paris, die Vorfahren mütterlicherseits aus Lille in Nordfrankreich. Charles de Gaulle wusste früh, welche Laufbahn er einschlagen wollte: Soldat werden. Mit 19 Jahren trat er als Kadett in die bekannte Offiziersschule von St. Cyr ein.

Der Erste Weltkrieg und die militärische Laufbahn

1914 bis 1916 nahm er am Ersten Weltkrieg teil und geriet verwundet in deutsche Gefangenschaft im Altmühltal. Von dort versuchte er fünfmal zu fliehen, erfolglos. Er lernte deutsch, um sich in der Haft zu beschäftigen. Nach dem Krieg kehrte er, nach der Heirat mit Yvonne Vendroux, einer Fabrikantentochter aus Calais, zurück in die Armee und unterrichtete Geschichte an der Militärakademie in St. Cyr. Seine Laufbahn verlief beständig, ohne auf eine steile Karriere hinzudeuten. Dennoch war er ein glühender Verfechter verstärkter Militäranstrengungen seines Heimatlandes. Er befürwortete die moderne Militärtechnik wie schnelle Panzer und Flugwaffe als Motor für die französische Armee der Zukunft, stieß damit aber auf Widerstand bei der militärischen Führungselite, die Veränderungen nur sehr langsam zulassen wollte.

Der Zweite Weltkrieg und die Résistance

Der Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 und die Kriegserklärung Frankreichs an das Nazi-Deutschland bringt ihn vom Militär in die Politik.

Im Mai 1940 wird Frankreich überfallen und im Juni 1949 wird der Brigadegeneral de Gaulle Unterstaatssekretär im französischen Verteidigungsministerium. Den Waffenstillstand, den Frankreich am 22. Juni 1949 annehmen musste, akzeptierte de Gaulle nicht, stimmte im Kabinett dagegen und setzte sich mit dem Flugzeug nach London ab. Dort forderte er in einem BBC-Rundfunk-Interview seine Landsleute zum Widerstand auf. De Gaulle wurde damit zur Symbolfigur des französischen Widerstands, der Résistance. Bei Truppenbesuchen in Afrika und im Nahen Osten stärkt er den Kampfgeist seiner Landsleute, und wird, bis die Alliierten 1944 Frankreich befreien, auch noch bis 1946 Regierungschef sein. Dann tritt er zurück, nach dem Krieg übernahmen die alten politischen Parteien wieder das Ruder, er hatte sein Soll erfüllt.

Die Algerienkrise und die Rückkehr in die Politik

1958, in der Algerienkrise, und mit einer drohenden Meuterei des Militärs gegen die Regierung, holte der Präsident René Coty General de Gaulle als Retter Frankreichs in die Politik zurück. De Gaulle ließ sich das mit weitgehenden Rechten für ihn als neuen Staatspräsidenten vergelten; die neue Verfassung der Fünften Republik stärkt den ersten Mann des Landes, der auch den Premierminister auswählt und das Parlament auflösen kann. Mit 68 Jahren wird de Gaulle somit zum Staatspräsidenten.

General de Gaulle und das demokratische Frankreich

Er reformiert in den folgenden Jahren das Finanz- und Wirtschaftssystem und entlässt Frankreichs Kolonien in die Unabhängigkeit, allerdings nicht ohne politische Proteste seiner Landsleute. Das Augenmerk der Weltpolitik war jedoch auf die deutsch-französische Aussöhnung gelenkt, die de Gaulle und der deutsche Kanzler Adenauer anschoben und bewerkstelligten. Das lenkte auch von den innenpolitische Problemen ab, für die de Gaulle 1965 die Quittung bekam: erst im zweiten Wahlgang war seine Wiederwahl erfolgreich. Sein politischer Stern ist am Sinken, seine Autorität schwindet und die Studentenunruhen im Mai 1968 tun ein Übriges. De Gaulle hat kaum noch Kontrolle über Frankreich. Am 28. April 1969 tritt er zurück und zieht sich mit seiner Frau, gedemütigt und verbittert, auf eine lange Irland-Reise zurück. Eineinhalb Jahre später stirbt de Gaulle im Alter von 79 Jahren.


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