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Pro und Contra

1968 Pro und Contra

Stand: 09.04.2018

Demonstranten versuchen Willy Brandt und Herbert Wehner am Betreten der Meistersingerhalle in Nürnberg zu hindern,  wo der Parteitag der SPD stattfindet (17.3.1968) | Bild: picture-alliance/dpa

In den späten 1960er Jahren rebelliert die APO gegen die bestehende Ordnung. Studenten - eine Minderheit innerhalb der Jugend - proben die Rebellion und stellen die Autoritäten infrage. Sie empören sich über Nationalsozialismus und Vietnamkrieg, benennen Missstände an den Hochschulen ("Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren") und nehmen die "systemtreue" Presse, vor allem Springer-Publikationen, ins Visier. Die Revoluzzer liebäugeln mit linksradikalen Ideen und treten für die sexuelle Liberalisierung ein. Manche wollen die Gesellschaft mit Gewalt umformen. "Wir befanden uns", sagt heute der Historiker Götz Aly, "in einem deutsch-romantischen Rausch verrückter Selbstüberschätzung".

Bei den Eliten und großen Teilen der Bevölkerung stoßen die 68er auf Unverständnis. Dass Jugendliche verwegen-aufmüpfige Forderungen stellen, können Menschen, die einst in der Hitlerjugend marschierten, kaum nachvollziehen. Manche Bundesbürger betrachten die Aktionsformen der APO gar als Verbrechen. Der Staat reagiert mit Gewalt, Gegengewalt ist die Folge. Ende 1968 ist die Studentenrevolte gescheitert.

Seither hält die Debatte darüber an, ob die 68er die Bundesrepublik Deutschland bereicherten oder durch ihren Frontalangriff auf "gegebene" Werte die Gesellschaft destabilisierten.

Argumente pro 68

  • Die Revolte der 68er beschleunigt bereits eingeleitete Modernisierungsprozesse.
  • Die 68er machen die BRD toleranter, weltoffener und demokratischer. Bundeskanzler Willy Brandt greift ihre Forderung "Mehr Demokratie wagen" auf.
  • Die 68er sorgen dafür, dass die Idee einer solidarischen Gesellschaft Verbreitung findet.
  • Auf Druck der 68er stellt sich die Bundesrepublik der NS-Vergangenheit und thematisiert den Völkermord an den Juden.
  • Die Emanzipation der Frauen und der Homosexuellen bekommt einen wichtigen Schub.
  • Abweichende Familienformen (Wohngemeinschaften, Kommunen etc.) werden akzeptiert.
  • Sexuelle Verhaltensnormen lockern sich.
  • Der Blick der Deutschen für Ausbeutung und Unterdrückung in Entwicklungsländern wird geschärft.

Argumente contra 68

  • Die 68er machen wirre Vorstellungen von einer "marxistischen Revolution" salonfähig.
  • Teile der 68er gehen zum Straßenkampf über und nehmen in Kauf, dass Polizisten bei Demonstrationen verletzt werden.
  • Frustrierte 68er driften in den Terrorismus ab, die Entwicklung mündet in den "Deutschen Herbst" 1977.
  • APO-Aktivisten vergiften mit ihrem Hass und ihrer Intoleranz politische Debatten. An der Universität Göttingen rufen Fanatiker 1968 sogar dazu auf, Frauen und Töchter von Professoren zu vergewaltigen.
  • Mit ihrem Drang nach Selbstverwirklichung und dem Eintreten für antiautoritäre Erziehung zerstören die 68er bedeutende gesellschaftliche Bindungen.

Die 68er haben weder eine echte Alternative zum Kapitalismus noch zum Realsozialismus östlicher Prägung entwickelt.

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Schwere Studentenproteste gegen die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in Frankfurt (22.9.1968) | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema 1968 Das Ausnahmejahr

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