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Prosa von Eva Demski "Ich war der Natur nicht gewachsen"

Seit fünfzig Jahren sind sie unzertrennlich - Eva Demski und ihr kleiner Garten in Frankfurt. Und schon das zweite Frühjahr stehen sie "unter der Fuchtel der Pandemie". In ihren lakonischen "Neuen Gartengeschichten" reflektiert die Schriftstellerin über Glück und Grausamkeit des Gärtnerns in Lockdownzeiten.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 07.09.2021 | Archiv |Bildnachweis

Die Schriftstellerin Eva Demski in ihrem Garten in Frankfurt am Main: Die Hobby-Gärtnerin hat ein höchst individuelles Refugium aus Zierteich und wilden Kletterrosen oder üppig wucherndem Beinwell geschaffen, das sie zu ihren "Gartengeschichten" animiert hat. Foto: Frank Rumpenhorst (2009) | Bild: picture-alliance/ dpa | Frank Rumpenhorst

"In diesen gefühlten hundert Jahren Einsamkeit während der Pandemie habe ich eine immer größere Zuneigung zum Nutzlosen entwickelt. Vielleicht weil einem alle Welt mit ihrem bigotten Achtsamkeits-, Ordnungs- und Verzichtskrempel auf die Nerven ging."

(Eva Demski, Neue Gartengeschichten)

Hast Du ein Glück, dass Du den Garten hast, sagten viele gartenlose Freunde in Lockdownzeiten zu Eva Demski, die sich im Frankfurter Dichterviertel über Jahrzehnte hinweg ein grünes Mini-Refugium geschaffen hat. Klar, ein Garten spendet Trost und Schutz, ein "Stück Land mit viel Luft nach oben", gefahrenfrei. Über dieses Glücks- und Trostpotenzial schrieb sie bereits vor zehn Jahren in dem erfolgreichen Band "Gartengeschichten" (Suhrkamp, 2011). Doch als 2020 das Virus die Welt in seinen Griff nahm, bedeutete dies natürlich auch für die heute 77-jährige Autorin drastische Veränderungen. "Die Stunde einer ganz neuen Art von Puritanismus schlug. Er erfasste viele, mich ebenfalls. Manche verfielen in eine Art Gehorsamsrausch", notiert die gebürtige Regensburgerin, ein "steinernes Stadtkind" damals. Im Lockdown gab es dann für gefühlte "hundert Jahre" nur sie und den Garten, das Schreiben wollte derzeit nicht funktionieren. Und klar, es mag leicht verschroben wirken, wenn die Welt auf Fallzahlen als neuen "diabolischen Börsenkurs" starrt und frau selbst denkt über Buchse und monströse, Wasser saufende Stechäpfel nach.

Drogen im Alter

Engelstrompete oder Baum-Datura, wahre "Monster" in Eva Demskis Garten

Der schöne Stechapfel - das "böse Kraut der Götter" - kommt bei E.T.A Hoffmann als Mordwerkzeug zum Einsatz und kann als Rauschmittel prima mit Cannabis mithalten, man soll sogar sämtliche Geheimnisse der Philosophie mit einem Schlag begreifen mit Hilfe der heiligen Datura! "Was zum Teufel hatte mich all die Jahre davon abgehalten, wenigstens etwas davon auszuprobieren?", fragt sich die fleißige Datura-Pflegerin. Nun sei sie zu feige. Bekömmlichkeit schlägt Genie-Rausch.

Mal ein guter Gartenwitz

Die knappen Erzählungen, botanischer Erlebnisbericht und literarischer Essay in einem, haben eine soghafte Wirkung, ziehen uns hinein in Eva Demskis Welt, die in Corona-Zeiten, geografisch betrachtet, eng geworden geworden ist. Ihr trockener Humor, der lakonische Stil lassen ihre Introspektion und Weltbeobachtungen leichter wirken als sie sind.

"Wären die Pilze in einem normalen Sommer aufgetaucht, hätte ich gedacht, sie seien mit irgendwelchem Dünger oder einer Erde eingeschleppt worden. Sie hätten mich wahrscheinlich amüsiert, weil mich Unerwartetes meistens amüsierte. Ich mochte Gärten, die Witze machten. Warum hielt ich die Dinger jetzt für ein Endzeitzeichen? War ich verrückt geworden? Waren wir alle irgendwie verrückt geworden?"

(Eva Demski, Neue Gartengeschichten)

Poeten und Pilze

Lamellen des Parasols, einem essbaren Pilz

Mithilfe vitaler Botanik-Metaphern porträtiert Demski ehrlich und temperamentvoll, wie sie fremdelt während des Stillstands, wie sie eine "neue Variante des Egoismus" ihrer Freunde, überhaupt der Menschen stört. Während Demski die neuen Mitbewohner ihres Gartens skeptisch beschaut, fallen ihr assoziativ die Pilzsuppenessen bei Günter Grass ein. Ähnlich skeptisch hatten die eingeladenen KollegInnen in die Grass-Pilzsuppe geschaut. Idee: Sollten sich Poeten zu Pilzen entwickeln im Hinblick auf deren Selbstgenügsamkeit?

Eva Demski selbst sympathisiert momentan eher mit Klee: Der mache nachts dicht, so wie sie, blendet einfach aus. Und sie, die gärtnernde Autorin, will nicht wissen, was die Natur nachts so in ihrem Garten anrichtet. Das Wilde, Dunkle - von so vielen Dichtern inniglich verbalisiert - nein, danke, sagt Eva Demski. "Dafür hatte ich den Garten, um mich vor der Natur zu schützen. Ich war ihr nämlich nicht gewachsen."

Eva Demskis "Neue Gartengeschichten. Über Buchsbaumzünsler, Akeleien, das Alter und ein Jahr wie keins zuvor" sind im Insel Verlag erschienen, mit Bildern von Michael Sowa.
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