Bayern 2 - radioTexte


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Fünfteilige Lesereihe Oleksij Tschupas "Märchen" aus dem Donbass

Punkig, anarchisch, rotzig sind die Nachbarn in diesem Mietshaus im Donbass. In seinem "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" öffnet Oleksij Tschupa die Wohnungstüren zu Kleinganoven, Verliebten und Verlassenen, trinkschwachen Handwerkern und Gruselgestalten: Ukrainische Geschichte(n) aus einer Zeit des brüchigen Friedens vor dem Krieg. Fünfteilige Lesung

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 05.12.2022

Ein Haus wird renoviert in Kiew , Ukraine .  Copyright: Thomas Koehler/ picture alliance/photothek | Bild: picture alliance / photothek | Thomas Koehler

"Die Begebenheiten zeigen den Donbass, wie weder Politiker noch Fachleute noch Journalisten über ihn sprechen – mit einer Offenheit, die an Abscheu grenzt und einer Bitterkeit, die aus Nostalgie erwächst."

(Friedenspreisträger Serhij Zhadan, Vorwort zu Märchen aus meinem Luftschutzkeller)

Ein Haus, das es in sich hat: Im Erdgeschoss feiert die durchgeknallte "Kanaille" Vira apokalyptische Feten. Ein paar Türen weiter schmieden zwei expansionswütige Business-Profis Pläne, um den Obst- und Gemüsemarkt der Region an sich zu reißen. Zwei Stockwerke höher leben Olga, die sich für eine Nachfahrin des französischen Königshauses hält, und Firman, der sämtliche Lenin-Denkmäler der Stadt zu Fall bringen will. Ein junger Mann aus der berüchtigten Spezialeinheit Berkut verliebt sich bei einem Einsatz in eine Demonstrantin. Und in der Wohnung 14 spukt es. Tumult und Tohuwabohu vom Erdgeschoss bis zum dritten Stock: Exzentrische Hedonisten und Kleinganoven, einsame Existenzen und widerspenstige Underdogs – Oleksij Tschupa versammelt in seinem Roman eine anarchische Hausgemeinschaft, deren Schicksale fesseln und aufwühlen.

Der grellbunte Mikrokosmos eines Mietshauses im ostukrainischen Makijiwka, nahe der Millionenstadt Donezk, ein heißer Julitag im Jahr 2014, kurz bevor die ersten Bomben fallen. Dort, in Makijiwka, wurde Oleksij Tschupa 1986 geboren und wollte die Gegend, die er in- und auswendig kannte, "abmalen". Dann kam aber alles anders. "Zehn Tage, nachdem ich das Buch beendet hatte, geriet mein Stadtviertel... zum ersten Mal unter Beschuss... Ich lief zum Bunker und war verdutzt: Da saßen all meine Figuren und schauten mich freundlich an", so schreibt Tschupa im Nachwort seines Episodenromans "Märchen aus meinem Luftschutzkeller".

Der ukrainische Autor Oleksij Tschupa

Tschupa, der heute in der Zentralukraine lebt, studierte an der Universität Donezk ukrainische Philologie und hat seit 2014 zahlreiche Romane veröffentlicht. Als Autor setzt sich Oleksij Tschupa mit der Identität und den sozialen Verwerfungen des Donbass auseinander und wendet sich dabei intensiv der Geschichte der Sowjetunion und der ersten Jahre der ukrainischen Unabhängigkeit zu. Mit "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" erschien 2019 erstmals ein Werk des Autors auf Deutsch.

Start der fünfteiligen Lesereihe am Montag, 3. Oktober um 14.30 Uhr und am 04., 06., 11. und 13. Oktober in den radioTexten am Dienstag und Donnerstag, jeweils abends von 21.05 bis 22 Uhr.

Es lesen Torben Kessler, Sabine Orléans, Wolfram Koch, Sonja Beißwenger, Sebastian Reiß, Nora Solcher, Barbara Nüsse und Melanie Straub.

"Märchen aus meinem Luftschutzkeller"
erschienen im Haymon Verlag
übersetzt aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe
Eine Produktion des hr2 kultur mit dem NDR Kultur 2022

Nachzuhören in unserem Podcast "Lesungen" im Podcast-Center des BR

Moderation: Judith Heitkamp und Kirsten Böttcher


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