Bayern 2 - Nachtmix


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Er wäre jetzt 60 Jahre alt Joey Ramone

Als Einführung für die Helden dieses Playbacks im Nachtmix heute, reichen eigentlich die schlichten Worte: Hey Ho, Let's Go. Es geht um die Ramones und der Anlass ist der 19. Mai 2011, an dem der Sänger der Ramones, Joey Ramone, 60 geworden wäre.

Von: Sabine Gietzelt

Stand: 20.05.2011 | Archiv

Joey Ramone | Bild: picture-alliance/dpa

Aber es bleibt ja in der Familie. Willkommen zu Haaren, Sonnenbrillen, Lederjacken und den berühmten drei Akkorden.

Die erste Platte der Ramones erschien 1976. Da war von Punk noch nicht die Rede. Es herrschte Disco, ein bisschen Progrock und noch immer lagen ein paar Hippies in der Gegend rum, bis die Ramones sie wegkickten. Später, als der Ausdruck Punk für Musik gültig war, gingen sie als Punk durch, später wurden sie Kult und jetzt sind die Ramones das geworden, was Che Guevara und auch Bob Marley geworden sind. Ein Aufdruck auf T-Shirts. Eine Ikone. Vermutlich haben die meisten Leute, die die Ramones-T-Shirts kennen, keine Ahnung von ihrer Musik.

Die Eckdaten: Joey Ramone, der heimliche Held, der Star unter den falschen Brüdern, der stille, aber doch wütende Sänger, der introvertierte, der erst spät aus sich herauskam, der immer derjenige war, der ein bisschen rumkränkelte, obwohl doch die anderen viel mehr Drogen nahmen oder Alkohol. Der unter einer Zwangsneurose litt und dem man in der Schule jegliche Hoffnungen genommen hatte, dass aus ihm je irgendetwas werden würde, geschweige denn er ein Mädchen abbekommen würde.

Schüchtern, sehr groß und trotzdem der Sänger

Außerdem war er auffallend groß, fast zwei Meter. Allein deswegen hatte er schon mal alle Sympathien. Aber natürlich ist Joey, DER Ramone. Der Sänger. Trotz aller Nicht-Frontman-Eigenschaften . Deswegen sollte er ja eigentlich auch der Schlagzeuger sein. Aber Dee Dee, der ursprünglich singen sollte, konnte nicht singen und  gleichzeitig Bass spielen. So wurde Joey der Sänger.

Johnny: überzeugter Fan der Yankees, wollte eigentlich Baseballspieler werden, aber weil er sich die Haare nicht schneiden lassen wollte, die zeitweise bis zum Hintern hingen, wurde er Gitarrist, was als Berufswunsch an zweiter Stelle stand. Allerdings ein begnadeter Gitarrist, der intuitiv wusste, worauf es ankam. Eben nicht, wir wissen das heute, auf Können oder Virtuosität, sondern Intensität. Weg mit den Kinkerlitzchen! Die berühmten drei Akkorde waren es und die Wucht!

Johnny war überzeugter Waffenfan und der Konservative in der Band, der Gegenpol  zum linksliberalen jüdischen Boheme Sohn Joey. Ein Drama, das Joey und Johnny erbitterte Feinde wurden, weil Johnny Joey die Frau ausspannte. Hochexplosives Krisenpotential in einer Band, das die Ramones aber trotzdem nicht sprengte, sondern, tragisch, aber kreativitätsfördernd, zu ein paar hervorragenden Songs führte. Man glaubt, The KKK Took My Baby Away, sei eines der Lieder gewesen, die Joey deswegen geschrieben hat.

Trouble Boys und Drogenbands

Dee Dee. Der Bassist. Der größte Trouble Boy unter den Ramones. Von ihm gibt es, unter vielen anderen, das schöne Stück "53rd and 3rd". Der Name einer Straßenkreuzung, an der homosexuelle Prostituierte ihrem Job nachgingen, eine Straßenecke, an auf der auch Dee Dee gesichtet wurde. Dee Dee war der führende Drogist unter den Ramones. Noch besser hätte er sich vielleicht unter den komplett gleichgesinnten New York Dolls gefühlt: die großen Helden der Ramones, aber eben eine Junkieband.

Die anderen beiden inspirierenden Pionierbands waren natürlich die Stooges und MC 5 gewesen. Überlebt haben die Ramones deutlich länger. 21 Jahre gab es sie. Von 1975 bis 1996. Mit Allem, was dazu gehört. Kaum eine Band hat so viel an Drogen, Druck und  Persönlichkeitsextremen so lange ausgehalten. War erst Subkultur, dann Kult, dann Ikone. Und ist damit 2002 auch noch in die Rock and Roll Hall Of Fame gekommen. Da war Joey allerdings schon seit einem Jahr tot. Kurz vor seinem 50.Geburtstag gestorben. Dee Dee folgte ihm kurz danach. Wegen einer Überdosis.

Dee Dee hatte seine Kindheit und Jugend u.a. in Deutschland verbracht, an verschiedenen Orten, unter anderem in der Nähe von München, in Starnberg und in Berlin. Dort hatte er sich mit dem Verkauf von Kriegs und Nazidevotionalien Geld für seinen Drogenkonsum beschafft. Der Vater war beim Militär und Dee Dee in der Armeeschule. Fragt sich noch jemand, woher die vielen Songs kommen, in denen die Ramones von Krieg, Bomben oder Nazis röhren.

Tommy gibt die Interviews

Tommy. Auch er Gründungsmitglied, Schlagzeuger, allerdings mit Unterbrechungen. Lange Zeit der Spokesman für die Band, der die Interviews gab. Dee Dee stammelte nur, Joey war zu schüchtern und Johnny hatte keine Lust. Also Tommy, der Schlagzeuger. Der auch Produzent war. Offenbar der gesündeste von allen. Denn der einzige, der von den Original-Ramones noch lebt. Die anderen Ersatz-Ramones lassen wir mal unter den Tisch fallen. Johnny spielte Gitarre nach Art der berühmten Aussage: Drei Akkorde reichen. In der Tat wurde dieser Spruch eigentlich für Johnny erfunden. Soli: überflüssig. Aggressivität: dringend erforderlich. Abwechslung: wenig. Minimalismus: unbedingt.

Die  Einflüsse reichten von Black Sabbath bis zu Dick Dales Surfgitarre. Außer Bubblegum Music wurde Humor bei den Ramones groß geschrieben, auch wenn er ziemlich schwarz war. Die vier fanden es lustig, Fernseher von Dächern zuwerfen, auf denen sie Klebstoff schnüffelnd herumsaßen. Sie fanden auch den Film "The Texas Chainsaw Massacre" lustig.

Wer würde besser in die Simpsons passen als sie?

Wenn also eine Band je in eine Serie wie die Simpsons passte, dann die Ramones, die in einer Folge auftreten und  Mr Burns ein Geburtstagsständchen singen. Die Ramones bei den Simpsons, komische Gestalten zu Hause bei komischen Gestalten. Mit Sonnenbrillen, Haaren, den absurd tief hängenden Gitarren und grotesk gespreizten Beinen. Perfekt.

Wem man die Begeisterung für die Ramones unbedingt abnimmt, das ist Nirvana Produzent Steve Albini. Für ihn, und nicht nur für ihn, waren die Ramones das, was man als Teenager gesucht hatte, ohne zunächst zu wissen, was genau es war. Dass das Desinteresse an den Fakefiguren der großen Rockstars und vor allem an ihrer Musik gelegen hatte, erkannte man erst später. Und außerdem liebten die Ramones Trash, Comics und all das, was man als männlicher Teenager in den USA damals eben auch liebte.

Dass sich so viele mit den Ramones infiziert und identifiziert haben, möchte man gern damit erklären, dass sie so greifbar waren. Keine abstrakten Figuren aus der Glamourwelt des Showgeschäfts, das Ende der Siebziger ja noch in den Händen der Progrockkapellen war. Die Ramones waren Freaks, Vierecke in einer runden Welt, die aneckten und keine Lust hatten, Zahnärzte oder Anwälte zu werden. Oder Offiziere. Dass aber auch die Ramones nicht nur authentisch waren, wie man meint, wird erst heute klar. Ziemlich schnell hatten sie einen Art Director. Insofern passt es ganz gut, dass eben die Ramones und nicht die vergleichsweise bierernsten Dead Kennedies auf den T-Shirts der Modeketten längst als Ware und nicht mehr als Musik vermarktet werden. Die Ramones haben an ihrem Image gearbeitet. Biografien wurden verändert, Ereignisse im Zusammenhang dazu oder weggedichtet, wie man in der Biografe von "Everett True" gut nachlesen kann.

"Authentisch", das lässt sich gut vermarkten

Insgesamt aber stimmt eins: Die Ramones haben sich nicht selbst als Punkband bezeichnet. Das haben andere für sie getan. Sie waren keine böse, aggressive Wutband, sie waren auch die Beach Boys: Sie mochten den Sound der Sixties-Girls-Groups und den Surfsound. Und das hört man. Das wiederum ist genau der Charme dieser Band, die zwar rotzte und rockte und Drogen nahm, aber trotzdem Strand, Sommer und Sonnen kompatibel war. Pop würde man ihnen heute wohl auch unterstellen. Damals, in der zweiten Hälfte der Siebziger Jahre war solche Musik noch pure Anarchie.

Joey Ramone wäre am 19. Mai 2011 60 geworden. Fans hat er bis heute. Bei Bands und bei älteren und jungen Hörern. Wie einflussreiche eine Band ist oder war, zeigt sich ja nur in seltenen Fällen an ihren Verkaufszahlen, sondern vielmehr daran, wie oft sie von anderen nachkommenden Bands zitiert, gecovert oder sonst wie erinnert werden. Coverversionen von Ramones Songs gibt es vergleichsweise wenige, zumindest wenig gute, was nicht weiter überrascht.

Coversongs und Tributebands

Es gibt umso mehr reine Ramones Tributebands, was damit zusammenhängen könnte, dass die Songs ja alle nicht allzu unterschiedlich sind, wenn auch fulminant gespielt und von beeindruckender Intensität im Original. Dafür werden die Ramones oft in anderen Songs genannt und haben Bands bei deren Namensgebung beeinflusst, was ja vielleicht eine größere Ehrerweisung ist, als ein gecoverter Song.

Viele machten sich dran, als die Ramones schick wurden, als sie die Band in dem Teeniefilm Rock'n'Roll High School spielten. Metallica coverten die Ramones, die Red Hot Chilli Peppers taten es und Motörhead haben einen Tribute Song. Joe Strummer widmet Joey ein ganzes Album. Er war damals gemeinsam mit Johnny Rotton und den Sex Pistols und noch ein paar anderen durchs Klofenster Backstage zum ersten Londoner Konzert der Ramones eingestiegen.

Joey hatte übrigens nach dem Ende der Ramones selbst auch ein paar Soloplatten gemacht, z.B. ein Weihnachtslied gesungen. Wer gar nicht genug bekommt von den Ramones, der kann ja noch nach Berlin fahren und sich dort ins Ramones Museum begeben. Oder an das Ramones Musical denken, das es auch schon gab. Aber vielleicht auch lieber nicht...


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