Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. September 1755 Wunderheiler Johann Joseph Gaßner zwingt den Teufel in die Knie

Als Geschäftsmodell hat die Teufelsaustreiber für Johann Joseph Gaßner durchaus Erfolg. Bis es der selbsternannte Wunderheiler übertreibt. Damit: Wunderheilerkarriere aus. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 25.09.2018 | Archiv

25 September

Dienstag, 25. September 2018

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Luzifer hat nichts zu lachen. Die Aufklärung heizt ihm höllisch ein: Hörner, Flügel, Schweif und Klauen? Weg damit! Bratspieß, Höllenglut, Schwefelpfuhl? Kinderkram und Aberglaube, abgeschafft, ausgemustert!

Doch noch hat der Leibhaftige eine Lobby, die den Herrn der Finsternis nicht kampflos preisgibt. Vor allem Johann Joseph Gaßner weiß, was er am Satan hat. Mitten im schönsten Streit um die Existenz des Erzverderbers legt der Pfarrer aus Vorarlberg eine Blitzkarriere als Wunderheiler hin. Von Medizin hat der Gottesmann keine Ahnung. Und wozu auch! Krankheiten haben keine natürliche Ursache. Sie kommen vom Bösen, der uns durch Schmerz und Leid zum Hadern mit Gott verleitet. Dagegen ist nur ein Kraut gewachsen: der Exorzismus, die Austreibung des Dämons.

Volle Wunderheiler-Wartezimmer

Gaßners geistliche Kuren schlagen ein. Er wird rasch zur Hoffnung aller, die kein andrer Arzt mehr tröstet. Abertausende suchen seinen Beistand, flehen um Heilung. Als ihn der Regensburger Fürstbischof 1774 in seine Obhut nimmt, ist der Teufelsbanner in aller Munde. Verzweifelte, Schaulustige, Wundersüchtige aus ganz Deutschland, Frankreich, Böhmen, Tirol, Italien strömen ihm zu. Sie alle vertrauen auf ein Verfahren, das der Priester routiniert abspult: Erst befiehlt er dem Dämon, die Krankheitszeichen mehrmals hervorzubringen und abklingen zu lassen. Dann lehrt er die Befallenen, die Symptome selbst herbeizurufen und zu vertreiben. Zuletzt bannt er den Teufel und hält die Genesenen an, den Feind fortan aus eigener Kraft zu verjagen.

Irgendwann beißt es aus…

Am 29. September 1775 versagt die bewährte Routine. Isabella Enhuber, eine Elfjährige aus Sulzbach, klagt über Anfälle gottloser Boshaftigkeit. Gaßner will sich den Widersacher wie gewohnt gefügig machen, doch der sperrt sich.

Isabella verhöhnt den Priester, tobt, lacht, lästert, wimmert, wütet, trotzt, schmeichelt wirr durcheinander. Gaßner legt sich ins Zeug, er ringt, kämpft, greift nach einer Stunde zum äußersten Mittel. "Jetzt sollst du verdammter Hund sie sterbend machen" herrscht er die Bestie an", "sie soll sein wie tot." Augenblicklich röchelt das Mädchen, Adern und Gesicht schwellen auf, der Puls jagt, flackert, erlischt. Dann krampft sie, wird steif, starr, kalt an allen Gliedern. Der Atem setzt aus, die Augen brechen, die Wangen fallen ein. Endlich! Ja, der Dämon kuscht, Gaßner holt aus zum letzten Hieb. "Fahr aus, pack dich, weiche im heiligsten Namen Jesu!" Sofort kehrt der Puls zurück, die Züge röten sich, Isabella schlägt die Augen auf, ist gesund, geheilt, gerettet.

Sieg! Triumph! Satan ist geschlagen! Dafür gerät Gaßner nun selbst in Teufels Küche. Aufgeklärte Geister blasen zum Sturm gegen sein Treiben. Die Stimme der Vernunft fordert und findet Gehör. Kurfürst und Kaiser ächten das abergläubische Unwesen, Erzbischöfe verdammen die Wunderkuren, am Ende verbietet der Papst dem Priester jedes öffentliche Dämonenspektakel. Gegen diesen Druck kann ihn auch sein Regensburger Gönner nicht länger halten. Im März 1776 wird Gaßner im niederbayerischen Pondorf verräumt. Hier stirbt er vier Jahre später, so schnell vergessen, wie er aufgestiegen war.


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