Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Oktober 1529 Türkische Belagerung von Wien endet

Die Belagerung Wiens war ein Höhepunkt der Türkenkriege zwischen dem Osmanischen Reich und den christlichen Staaten Europas. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 15.10.2020 | Archiv

15 Oktober

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die Vorstädte brannten lichterloh. Die Wiener selbst hatten sie angezündet, damit der Feind hier keine Deckung fand. Und während sie noch die verkohlten Ruinen niederrissen, die Stadttore zumauerten und Kanonen auf die Türme schleppten, schlugen sich ihre Reiter schon mit der Vorhut der Osmanen und in den Dörfern rundum wüteten die gefürchteten türkischen Terrortrupps.

Dann schlug das letzte Tor zu. Vor Wien marschierte Sultan Süleyman mit dem osmanischen Heer auf, hundertfünfzigtausend Mann, und am nächsten Tag erstreckte sich ihr Zeltlager weiter als man vom Turm des Stephansdoms aus schauen konnte. Hinter der bröckelnden alten Stadtmauer wappneten sich siebzehntausend Söldner für die Verteidigung. Die meisten Bürger waren geflohen.

Zankapfel Ungarn

Was wollte Süleyman im September 1529? Sollte Wien das Sprungbrett sein, um die deutschen Länder eins nach dem andern zu vertilgen und die ganze Christenheit in ewige Unterdrückung zu bringen?

Das war die Propagandaversion des österreichischen Kriegssekretärs. Tatsächlich prallten hier zwei Supermächte aufeinander, die Habsburger und die Osmanen, und es ging um ein konkretes Objekt der Begierde: Ungarn, ein Reich dreimal so großwie der heutige Staat.

Ein Jahrhundert zuvor hatten die Habsburger die ungarische Krone schon für kurze Zeit in Händen gehabt und seitdem versucht, sie zurückzugewinnen. Für die Osmanen, die die Balkanfürstentümer unterworfen hatten, war Ungarn der große Gegenspieler in dieser Region. 1526 hatte Süleyman die Ungarn in einer großen Schlacht geschlagen, bei der ihr König umgekommen war. Danach hatte der zerstrittene Adel zwei Könige gewählt: den ungarischen Magnaten Janos Zapolya und den Habsburger Ferdinand, Bruder Kaiser Karls V.

Nun bekriegten sich die beiden, und als Ferdinand Zapolya aus dem Land jagte, suchte der Hilfe beim Sultan und unterwarf sich ihm dafür als Vasall. So zog Süleyman aus, um in seinem neuen Land Ordnung zu schaffen. Er eroberte es für seinen Schützling zurück und marschierte weiter nach Wien.

Showdown vor Wien

Drei Wochen lang beschossen seine Kanonen die Stadt. Brandpfeile gingen auf die Dächer nieder. Mineure trieben Stollen unter die Stadtmauer, um sie mit Sprengladungen zum Einsturz zu bringen. Mehrmals gelang es ihnen so, Breschen in die Mauer zu reißen, aber die Verteidiger wehrten die Sturmangriffe der Janitscharen ab.

Dauerregen plagte die Osmanen, der Proviantnachschub stockte und die Winterkälte kam früh. Wieder scheiterte ein Angriff. Da gab Süleyman den Befehl zum Rückzug. In der Nacht zum 15. Oktober brachen die Osmanen auf. Feuerschein erleuchtete den Himmel, die Wiener hörten die Schreie von Gefangenen, die erschlagen wurden. Am Morgen sahen sie nur noch die Kavallerie, die den Abzug deckte, und läuteten alle Kirchenglocken.

Wien war nicht besiegt und auch der Kampf um Ungarn noch nicht zu Ende. Es wurde zwischen Habsburgern und Osmanen aufgeteilt und blieb für eineinhalb Jahrhunderte Schauplatz eines ständigen Kleinkriegs und großer Feldzüge. Am Ende gewannen die Habsburger den Showdown der Großmächte.


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