Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. September 2014 Reißender Absatz für schwulste Briefmarke der Welt

Die finnische Post macht Briefmarken mit explizit schwulen Motiven des Grafikers Tom of Finland zum weltweiten Renner. Die uniformierten, gutgelaunten Kerle mit den prallen Hinterbacken treffen allerdings nicht jeden Geschmack. Es gibt internationale Verwicklungen. Autorin: Prisca Straub

Stand: 08.09.2023 | Archiv

08 September

Freitag, 08. September 2023

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Dieses Mal präsentiert die finnische Post keine Segelschiffe. Auch die geläufige Kollektion mit Waldbeeren oder Sturmvogel-Motiven ist nicht mit dabei. Stattdessen zeigen die neuen Sondermarken, die Finnlands Post am 8. September 2014 auf den Markt bringt: stramme Hintern, schwarzes Leder und viel Männerhaut. Auf den schwulen Wertzeichen räkelt sich ein muskulöser Nackter zwischen den Schenkeln eines Uniformierten - aufgerichtete Brustwarzen, Arschbacken wie Basketbälle. Beförderungsklasse 1.

Tom of Finland, die Schwulen-Ikone

Die schwellenden Kerle sind ein später Gruß von Schwulen-Ikone "Tom of Finland." - "Zeitgemäß", findet inzwischen die finnische Postbehörde. Denn als Toms explizite Schwarz-Weiß-Zeichnungen im Helsinki der Nachkriegszeit entstanden, mussten sie noch unter der Hand den Besitzer wechseln. Die übermäßig bestückten Muskelmänner in knappsitzenden Uniformen waren damals keineswegs öffentlichkeitstauglich, und "Tom of Finland" hieß in Wirklichkeit Touku Laaksonen. Ein Illustrator mit Doppelleben: Star homoerotischer Fetisch-Kunst und gefälliger Werbegrafiker in einem. Dann, in den späten 1950ern, entdeckten US-amerikanische Bodybuilding-Magazine Toms Schwäche für gewaltige Schultern. Für seine meisterhaft gezeichneten schnauzbärtigen Polizisten, gutgelaunten Bauarbeiter und Matrosen mit Geschlechtsteilen, die sich unter viel zu engen Hosenbeinen überdeutlich abzeichnen. Heute hängen sie in den bedeutendsten Sammlungen für zeitgenössische Kunst.

"Schwulen-Propaganda" zum Ablecken

Und Finnland? Hat die nackten Machos inzwischen auch für sich entdeckt - und feiert den 1991 gestorben Tom als Nationalhelden. Die Briefmarkenserie mit seinen Lederkerlen wird zum Verkaufsschlager, das Medienecho ist gewaltig. Sammler aus aller Welt reißen sich um die schwulen Postwertzeichen. Innerhalb weniger Tage sind sie restlos ausverkauft. Noch nie war ein Briefmarkenmotiv so erfolgreich.

Nur mit einem hatte die finnische Postgesellschaft nicht gerechnet: mit der Reaktion aus Russland: nichts als "Schwulen-Propaganda!“ Die Marken seien unerwünscht, so heißt es. Ihre Verbreitung verstoße gegen nationale Gesetze. Für Sendungen nach Russland seien "ausschließlich gängige Motive" zu verwenden. Und: Pornografisch frankierte Briefe und Pakete würden umgehend an den Absender zurückgeschickt.

Angeblich hat sich die finnische Post gefreut über das zusätzliche Marketing. Und zahlreiche Postkunden machten sich sogar einen Spaß aus der Aufregung im Nachbarland. Sie schickten die XXL-Pobacken gezielt auf Reisen: Poststempel drauf und ab nach Moskau. Mit freundlichen Grüßen.

Sondermarken veröffentlicht die finnische Post auch weiterhin. Und unbeirrbar wählt sie weiterhin Motive, die das lässige nordische Lebensgefühl ausmachen: gefüllte Teigtaschen, handgefertigte Filzpantoffeln, finnische Rockbands. Und genau wie die harten Lederkerle von damals kann man sie alle ablecken. - Von hinten.


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