Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Dezember 1955 "Sissi" im Wiener Apollo Kino uraufgeführt

Diese Filmreihe nützt Österreichs Fremdenverkehr noch heute: Die Sissi-Trilogie mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Filmproduktionen überhaupt. "Romantisch-gefühlvolle Unterhaltung im Stil anspruchsloser Heimatfilme", die Kaiserin Elisabeth zum Mythos machten. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 21.12.2023 | Archiv

21 Dezember

Donnerstag, 21. Dezember 2023

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Eins muss man ihm lassen, der Kerl hat ein glückliches Händchen. Was Ernst Marischka anfasst, glänzt wie frisch mit Honig lackiert. Das hat er vom Papa geerbt. Der war Vergolder am Hof in Wien, und nach Neunzehnachtzehn, wie es auf einmal keinen Kaiser und kein Österreich-Ungarn mehr gab, ist der Bub auch Vergolder geworden. Aber nicht für Möbel oder Bilderrahmen. Der Ernst vergoldet Erinnerungen mit Operetten, Schlagern, Filmen, die er am Fließband schreibt, inszeniert und produziert. Da ist dann alles wieder da: Der Kaiser, das Militär, die Donaumonarchie, so fesch und schneidig, so kommod und seelenvoll, schöner als je in echt.

Wärmende Seelenwickel

Als dann dreißig Jahre danach wieder alles hin ist, weiß Ernst Marischka zum Glück noch immer, wie man wärmende Seelenwickel macht: Einfach wieder mal träumen, unbeschwert leben, Hoffnung tanken, lachen, das wollen jetzt alle. Aber das gibt der Alltag nicht her. Das gibt’s nur im Kino und am besten beim Marischka. Der dreht jetzt eine Habsburgschwelgerei nach der andern, alle mit dem unverkennbaren Marischka-Touch: Schöne Menschen, schöne Kleider, Tiere, Berge, Unschuld, Herz und Liebe. Alles garantiert gegenwartsfrei: Kein Trümmeralptraum, kein Erinnerungswühlen, kein Reueschüren, kein Schuldgestocher und vor allem: keine Nazis!

Marischkas Wohlfühlwerkstatt floriert. Angebot und Nachfrage matchen perfekt. Doch sein Meisterstück steht noch aus. Dazu muss er erst Romy Schneider kennenlernen. Zwei Filme hat die Sechszehnjährige schon gedreht, als Marischka sie für den Film "Mädchenjahre einer Königin" engagiert. Der Streifen, in dem sich Prinzessin Viktoria und Prinz Albert auf romantischen Umwegen finden, kommt gut an. Romy als herzklopfend Hals über Kopf verliebte Prinzessin verzaubert das Publikum und Marischka wittert Ausbaupotenzial.
So einen Stoff hat er schon einmal vergoldet. 1932 war das, im Singspiel Sissy, das dem Theater an der Wien monatelang volle Kassen bescherte. Das lässt sich nicht nur wiederholen, das lässt sich mit Romy sicher noch toppen.
Stimmt! "Sissi" kommt am 21. Dezember 1955 in die Kinos und schlägt ein wie eine k.u.k Schokobombe. Marischka hat sich selbst übertroffen und ein zuckersüßes, zartschmelzendes, unwiderstehlich sahnig sämiges Nostalgiekonfekt geschaffen: Berge ragen majestätisch, Tiere schauen lieb, Kleider rauschen, Uniformen blinken, treue Liebe siegt, Herz ist Trumpf, die Dialoge und sogar die Farben sind schmutzabweisend. Und alles überstrahlt, überglänzt sie: Sissi: die knospenjunge, hinreißend lebenslustige, schüchtern freche, rosenhaft keusche Kaiserin der Herzen.

Ach!

Dass Karlheinz Böhm nach zwei Folgefilmen einen Frauenmörder mimt, um das Franzl-Image loszuwerden, dass Romy zum Sissi-Exorzismus nach Frankreich flieht, dass historisch kaum etwas stimmt - geschenkt! Wen kratzt das? Manchmal muss es einfach Sahnetorte sein! Manchmal braucht es Kanapee und Marischka. Manchmal hilft wirklich nur Sissi! Und ganz ehrlich: Weihnachten ohne Schnee, das lässt sich zur Not verkraften. Aber Weihnachten ohne Sissi? Nie und nimmer! Völlig unmöglich!


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