Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. Mai 2001 Dem Franzosen Marco Siffredi gelingt die erste Snowboard-Abfahrt vom Mount Everest

Man kann alles piano angehen, oder so richtig mit Karacho. Das dachte sich auch der Franzose Marci Siffredi. Statt wie andere Snowboarder sinnend am Pistenrand zu hocken und ab und an mal ein Schwüngchen zu setzen, wählte er die ganz lange Abfahrt: Vom Mount Everest. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 23.05.2024 | Archiv

23.05.2001: Dem Franzosen Marco Siffredi gelingt die erste Snowboard-Abfahrt vom Mont Everest

23 Mai

Donnerstag, 23. Mai 2024

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Krista Posch

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Für den französischen Philosophen Blaise Pascal war die Sache klar. "Das ganze Unglück der Menschen", schrieb der Denker im 17. Jahrhundert, rührt allein daher, "dass sie nicht wissen, wie man ruhig in einem Zimmer verharrt." Da ist durchaus was dran. Wie jeder bestätigen kann, dem außerhalb seiner vier Wände schon mal ein Missgeschick widerfahren ist. Mit Pascals Satz im Ohr weiß man zumindest im Nachhinein immer ganz genau: "Daheim wäre das nicht passiert."

Drinnen ist alles besser

Und was lernt der Mensch draus? Wenig! Denn: "Zu unserer Natur gehört die Bewegung." Auch das wusste schon Pascal: "Vollkommene Ruhe, das ist der Tod." Weshalb man zum Beispiel im Bairischen oft sagen hört: "Geh weida! Auf geht’s! Dahoam sterbn d`Leid!" Was wiederum auch stimmt, weil es tatsächlich schon vorgekommen ist. Wie man´s also macht, ist es unter Umständen verkehrt. Weshalb sich der Mensch dann doch oft gegen die Stubenhockerei in der heimischen Kammer entscheidet und lieber loszieht.

Raus die Maus

Wie Marco Siffredi zum Beispiel. Der 22-jährige Franzose kam am 23. Mai 2001 seinem Drang nach Bewegung auf höchst ungewöhnliche Weise nach. Siffredi stellte sich am Gipfel des Mount Everest auf sein Snowboard und raste in knapp vier Stunden die 2400 Höhenmeter zum Basislager hinunter. Was in der Tat bemerkenswert war, aber so ungewöhnlich auch wieder nicht, denn Siffredi war ein Extrem-Snowboarder. Und als solcher prädestiniert, ins Verzeichnis sportlicher Superlative einzugehen: Nämlich als erster Mensch, der eine vollständige Snowboard-Abfahrt vom Mount Everest geschafft hat.

Andere hatten das auch versucht. Der Österreicher Stefan Gatt zum Beispiel. Nur 24 Stunden vor Siffredi hatte Gatt eine Everest-Abfahrt mit dem Snowboard gewagt. Im Unterschied zum jungen Franzosen war der gebürtige Wiener sogar ohne zusätzlichen Sauerstoff unterwegs gewesen. Allerdings hatte Gatt an den schwierigsten Passagen sein Board abgeschnallt und getragen. Weshalb ihm der Ruhm einer ununterbrochenen Abfahrt versagt blieb. Den heimste der junge Draufgänger aus Chamonix ein.

Siffredi, der sympathische Abenteurer, der erst als 15-Jähriger mit dem Snowboarden begonnen hatte, konnte also zurecht stolz sein auf seinen Erfolg. Schließlich hatte schon Pascal einst geschrieben: "Das ganze Glück der Menschen besteht darin, bei anderen Achtung zu genießen".
Aber Erfolg macht halt auch süchtig. Dass der blondgelockte Bergfex nach seinem Triumph fortan im stillen Kämmerlein verharren würde, war also nicht zu erwarten. Es zog ihn bald wieder hinauf, auch auf den Mount Everest. Im September 2002 stapfte Marco mit seinem Team durch brusthohen Schnee zum Gipfel. Er wollte es ein zweites Mal wissen. Allen Warnungen seiner Sherpas zum Trotz, die das Lawinen-Unheil ahnten. Und auch bei seinem 400 Jahre älteren Landsmann Blaise Pascal hätte es Marco nachlesen können. "Wir laufen sorglos in den Abgrund, nachdem wir etwas vor uns gestellt haben, das uns daran hindert, ihn zu sehen." Was Marco Siffredi an der Einsicht hinderte, werden wir nie erfahren. Er verschwand an jenem Septembersonntag mit seinem Snowboard für immer in der vollkommenen Ruhe des Himalaya.


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