Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. August 1967 Rosenthals Pygmalion-Effekt wird öffentlich

Selbsterfüllende Prophezeiungen treffen Vorhersagen, die ihre Erfüllung selbst bewirken. So auch der sogenannte Pygmalion-Effekt: ein psychologisches Phänomen, bei dem eine vorweggenommene Einschätzung eines Schülers sich derart auf seine Leistungen auswirkt, dass sie sich bestätigt. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 18.08.2023 | Archiv

18 August

Freitag, 18. August 2023

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Die menschliche Psyche birgt so manche Überraschung - wie auch die Studien, die sie untersuchen. Wobei die grundsätzliche Frage "Korrelation oder Kausalität?" über allem schwebt: Alles nur ein konstruierter Zusammenhang, ein Zufall - oder ist da wirklich etwas dran? Nehmen wir zum Beispiel diese These: Schminke macht schlauer. Klingt erstmal vollkommen unwissenschaftlich, dieser Satz. Doch Psychologen argumentieren so: Schminke macht schlauer, das ist natürlich eine sehr verkürzte Aussage. Nicht die Schminke erhöht den IQ. Sondern: Sie vermittelt – zumindest manchen Menschen - Selbstbewusstsein. Und wer selbstbewusst ist, kann auch besser auf seine kognitiven Fähigkeiten zugreifen.

Wie man intelligent wird

So oberflächlich das im Fall des Make-Ups erstmal klingen mag: Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Selbstwertgefühl und Leistungsfähigkeit unseres Gehirns, der immer wieder in verschiedenen wissenschaftlichen Studien festgestellt wird. Seit den 1960iger Jahren. Zu dieser Zeit ist, wenn man so will, die Mutter all dieser Studien erschienen. Am 18. August 1967 titelt die New York Times: "Studie zeigt: Schüler sind gut, wenn Lehrern gesagt wird, sie seien es." Oder, etwas weniger kompliziert formuliert: Schüler schreiben bessere Noten, wenn ihre Lehrer an sie glauben. Warum? Es ist die gleiche Argumentation wie beim Make-Up: Verantwortlich ist das Selbstwertgefühl. Wer an sich selbst glaubt, kann seine Leistung besser abrufen. Und manchmal brauchen wir eine Autorität, die sagt, dass wir es drauf haben, damit wir an uns selbst glauben. Oder eben gute Schminke. Ein Harvard-Professor namens Robert Rosenthal hat die Studie in den 1960ern durchgeführt.

Ausgewählten Grundschul-Lehrern hatte er vorgegaukelt, dass er einen neuen Intelligenztest entwickelt habe. Einige ihrer Schüler seien überdurchschnittlich intelligent - Rosenthal nannte den Lehrern einfach willkürlich Namen von Schülern. Einen echten Intelligenztest hatte es nie gegeben.

Der Pygmalion-Effekt

Rosenthals These hingegen wurde bestätigt: Alle Schüler, deren Namen er genannt hatte, hatten am Ende des Schuljahres bessere Noten. Unabhängig von ihrem IQ. Einfach nur, weil ihre Lehrer an sie geglaubt hatten. Rosenthal taufte diesen grundlegenden sozial-psychologischen Effekt "Pygmalion-Effekt". Pygmalion, so heißt eine literarische Figur aus Ovids "Metamorphosen". Ein Bildhauer, der sich in seine eigene Statue verliebt und sich intensiv vorstellt, dass sie lebt, bis sie tatsächlich eines Tages zum Leben erwacht. Mit unserer Gedankenkraft können wir so einiges in der Welt wach küssen und zum Leben erwecken - Robert Rosenthal hat das mit dem Pygmalion-Effekt im Kleinen belegt.


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