Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. August 1968 Nominierung von Pigasus der Unsterbliche als US-Präsidentschaftskandidat

Der nationale Parteitag der Demokraten 1868 in Chicago ist gezeichnet von massiven Protesten gegen den Vietnamkrieg und das Establishment. Doch die Protestanten haben einen Gegenvorschlag, den sie am 23. August präsentieren - das Schwein Pigasus der Unsterbliche soll der nächste Präsident werden. Autorin: Fiona Rachel Fischer

Stand: 23.08.2023 | Archiv

23 August

Mittwoch, 23. August 2023

Autor(in): Fiona Rachel Fischer

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Frank Halbach

Pigasus der Unsterbliche traut seinen kleinen Schweinsäuglein nicht, als er am 23. August 1968 die Bühne im Chicago Civic Center betritt. 200 Leute sind gekommen, um seine Nominierung als Präsidentschaftskandidat zu verfolgen. Ein Mann tritt ans Mikrophon und spricht die Worte, die Pigasus selbst nur grunzen könnte: "Ich, Pigasus verkünde hiermit meine Kandidatur für das Präsidentenamt der Vereinigten Staaten von Amerika..." Dann stürmen Polizisten die Bühne.

Politische Pilgerer

Ein Schwein als Präsident der Vereinigten Staaten - was manche für ungeheuerlich halten, erscheint den Aktivisten der aktuellen politischen Lage angemessen. Sie protestieren bereits lange gegen die US-amerikanische Politik im Vietnamkrieg und die konservativen Werte des Establishments. Was wäre eine bessere Bühne für diese Proteste, als der nationale Parteitag der Demokraten in Chicago? Mehrere Gruppierungen beschließen gleichzeitig eine Pilgerreise in die Hauptstadt von Illinois. Ihre Anführer werden mit ihrem Gerichtsprozess als die Chicago Seven in die Geschichte der Vereinigten Staaten eingehen. Eine Eskalation der Proteste ist vorprogrammiert. Das glauben auch die Behörden.

Zugleich schmiedet die anarchische Youth International Party, genannt Yippies, Pläne für ihren Besuch in Chicago. Als Antithese zu der konservativen Politik und den tausenden amerikanischen Toten im Vietnamkrieg soll ein "Festival des Lebens" organisiert werden. Das bedeutet: Sex, drugs und Rock’n’roll, und zwar in den öffentlichen Stadtparks. Selbstverständlich verweigern die städtischen Behörden jegliche Genehmigung und verhängen sogar eine Ausgangssperre ab 23:00 für die Zeit des Parteitags.

Aber nichts davon kann die Menschenmassen abhalten, die im August 1968 in die Stadt der Winde strömen, um die Politik gehörig durchzupusten. Auch wenn anstatt der befürchteten hunderttausend nur einige tausend Chicago belagern, fährt die Stadt mit einer Armee aus Polizisten, Nationalgardisten und Militärs große Geschütze auf. Die Devise des Protests "make love not war" - macht Liebe, keinen Krieg - wird direkt in Chicago zunichte gemacht, als die ersten Straßenschlachten beginnen.

Der unsterbliche Pigasus

Was die Yippies wirklich wollen, ist ein Theater für die Medienwelt. Der Vorhang, der die ineffektive kriegstreiberische Politik der Regierung verdeckt, soll fallen. Und einen Gegenvorschlag haben sie auch parat, nämlich ihren eigenen Präsidentschaftskandidaten. Den haben sie kurz zuvor bei einem Farmer in Illinois erworben. Am 23. August hat das 66-Kilo-Schwein schließlich seinen großen Auftritt - und wird, zusammen mit sieben Protestanten direkt verhaftet. Gerüchteweise ist Pigasus entweder auf einer nahegelegenen Farm zusammen mit Mrs. Pigasus und seinen Ferkelchen alt geworden – oder verlor seine Unsterblichkeit als Frühstück eines der Polizisten. Als Präsidentschaftskandidat wird er, anders als von den Yippies gefordert, jedenfalls nicht ernst genommen. Alle Tiere sind gleich, doch manche Tiere sind gleicher.


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