Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. November 1953 Patent auf den süßen Heinrich

Heinrich Kurz, alleinerziehender Vater von sechs Kindern, zerbrach sich über den Schiefen Turm von Pisa den Kopf und erfand auch noch den Zuckerstreuer. Am 15. November 1953 bekam er das Patent dafür. Autorin: Anja Mösing

Stand: 15.11.2018 | Archiv

15 November

Donnerstag, 15. November 2018

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Na sicher: Wer früher sechs Kinder hatte und dann auch noch alleinerziehend war, der konnte nebenbei auch Erfinder sein. Sicher! Das glauben wir gern! Wenn der Kerl Privatier war. Oder irgendein müßiggehender Adeliger, unterstützt von vielen Dienstboten!

Aber so einer war er gar nicht, der Heinrich Kurz. Wenn man der Chronik des hessischen Städtchens Nidderau glauben darf. Heinrich Kurz - dem die Frau wegstarb, als das jüngste Kind grade mal drei Monate alt war und das älteste 11 Jahre - war einfacher Sattler. Und ein Mann, den der Alltag mit seinen sechs Kindern offenbar beflügelt hat. Jedenfalls baute Kurz zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als rundherum die schmutzige Wäsche noch in großen Zubern gekocht und auf Waschbrettern geruffelt wurde, eine rotierende Waschmaschine. Seine Inspirationsquelle: Berge von Wäsche.

klebrige Stehtische, grob gewebte Tischdecken

Und es könnten auch die Bauklötzchen-Gebäude seiner Kinder gewesen sein, die ihn auf die Idee brachten, wie sich der schiefe Turm von Pisa wiederaufrichten ließe. Kurz meldete vorsorglich ein Patent für diese Maßnahme an. Umgesetzt wurde sie nicht.

Seine bekannteste Erfindung ist der "Süße Heinrich". Als er daran arbeitete, spielte

vielleicht die heimische, heftig umkämpfte Zuckerdose eine Rolle. Ob es dabei zunächst um Hygiene ging, die bei vielen Löffeln, wenn sie in ein und dieselbe Zuckerdose tauchen, nicht mehr so recht gegeben war? Oder um die ewigen Zuckerklümpchen, die sich so in der Zuckerdose bildeten? Oder eher um Gerechtigkeit, weil es immer Geschwister gab, die mit ihrem Löffel eine größere Portion Zucker in ihren Kakao schaufelten als die anderen? Der Auslöser ist nicht überliefert. Aber seine Kinder waren längst erwachsen, als "Der Süße Heinrich" am 15. November 1953 ein Patent erhielt.

So hieß der Zuckerstreuer, der im Nu bekannt wurde: Ein Zucker-Portionierer aus Glas, oben zuzuschrauben mit einem Metalldeckel, aus dem eine Tülle ragt. Dreht man den süßen Heinrich um, rieselt immer ungefähr eine Portion Zucker heraus.

Dieses nagelneue Haushaltsgeschirr passte so wunderbar in die deutschen Wirtschaftswunderzeiten, dass es bald überall herumstand: auf den klebrigen Stehtischen der Imbissbuden, genauso wie auf den grob gewebten Tischdecken der Wirtshäuser und Ausflugslokale. Gut verpackt im handlichen "Süßen Heinrich" konnte der Zucker einfach auf dem Tisch stehen bleiben, gleich neben Salz, Pfeffer und der Maggiflasche und musste von den Bedienungen nicht mehr extra auf- und abgetragen werden.

"Der Patente"

So prächtig schauen die polierten Zuckerstreuer aus, dass ihre Konkurrenten, die Zuckerportionstütchen in noch so verrückten Formen und Farben daneben einfach verblassen. In Cafés mit Stil steht der süße Heinrich auch heute noch.

Reich wurde sein Erfinder trotzdem nicht. Heinrich Kurz hatte die Idee an ein Unternehmen in der Nachbarstadt Hanau verkauft. Dem Tüftler Heinrich Kurz bleibt nur die Ehre der Erfinder zu sein. Und der Spitzname, den ihm seine hessischen Zeitgenossen verpasst hatten: "De Badente".


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