Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. April 1758 Panzernashorn Clara stirbt in London

Sie war Mitte des 18. Jahrhunderts ein Star, weltberühmt durch eine siebzehnjährige Tournee durch ganz Europa: Clara, Panzernashorn-Dame aus Indien. Sie wurde zum Motiv von Malern, auf teurem Porzellan abgebildet und in unserem Jahrtausend Gegenstand der Wissenschaft: "Die Nashornreise und ihrer Wirkung". Autorin: Katharina Hübel

Stand: 14.04.2022 | Archiv

14.04.1758: Panzernashorn Clara stirbt in London

14 April

Donnerstag, 14. April 2022

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Sie war DER Star in Paris Mitte des 18. Jahrhunderts. Die indische Schönheit eroberte die Herzen der Franzosen im Sturm. Alle sprachen nur noch von ihr: Clara. Eine regelrechte Claramanie brach aus.

Angehimmelt von Volk, Adel und König

Clara wurde mit Flugblättern angekündigt, wo auch immer in Europa sie hinreiste, Lieder und Gedichte wurden über sie geschrieben. Es gab Souvenirshops, Münzen mit ihrem Konterfei, sogar eine verrückte Perückenmode, die sich etablierte, um ihrer exotischen Natur zu gleichen. Und immer wieder beeindruckte sie durch ihre wilde Erscheinung auf Marktplätzen, berühmte Maler bannten ihren atemberaubenden Anblick in Lebensgröße auf Leinwand. Sie war erlesener Gast in adligen Kreisen, am Hof aller wichtigen Herrscher der Zeit: Sie präsentierte ihre nackte Haut, von Fischöl glänzend, schon Friedrich dem Großen, der sie reich und über Gebühr mit 18 Dukaten dafür entlohnte, aber auch die Damen waren ihr verfallen, wie Kaiserin Maria Theresia. Selbst Casanova konnte ihr nicht widerstehen.

Doch der absolute Höhepunkt von Claras Europa-Tournee: Ihr Auftritt 1748 in Versailles, am Hofe von König Ludwig dem Fünfzehnten. Von Leidenschaft entbrannt, wollte er die Wilde mit dem dunklen Teint kaufen. Als Statussymbol. Doch ihr Preis war inzwischen so hoch, dass der König dafür sein dreifaches Jahreseinkommen hätte bezahlen müssen. Und so himmelte selbst der König von Frankreich Clara lediglich von der Ferne aus an: mit ihren samtig weichen Lippen, ihrer wuchtigen Erscheinung, der ledrigen Haut, den Haaren auf den Ohren, den Stampferbeinchen und dem charakteristischen Horn auf der Nase.

Lebendes Ausstellungsstück

Clara, das indische Panzernashorn. 20 ganze Laibe Brot fraß sie am Tag. Einen Zentner Heu und säckeweise Orangen. Zwei Laster hatte Clara: Wenn das Wasser ausging, trank sie schon auch mal ein Bierchen und Tabakrauch zog sie ganz tief in ihre Nüstern ein. 17 Jahre lang war sie auf Tour durch Europa, zu einer Zeit, als es noch keine Zoos gab und lediglich Dürers Fantasie-Zeichnung eines Nashorns in Umlauf war, das bei genauem Vergleich mit Clara dann doch einige Andersartigkeiten aufwies. Kurzum: Ein Panzernashorn hatte bis dato nur der in echt gesehen, der selbst nach Indien gereist war. So wie der holländische Kapitän Douwe Mout van der Meer, der sie in Europa vermarktete und mit ihr als Schausteller durch die Lande zog. In der Niederländischen Ostindien-Kompanie in Bengalen hatte er sie im Hause des Direktors aufgefunden. Als zweijähriges Jungtier, das allmählich zu groß wurde, um als Haustier herumzutollen. Der Direktor hatte Clara als Waisen-Baby aufgenommen, zum Amusement seiner eigenen Kinder.

Und so wurde Panzernashorn Clara verschifft und eroberte von Rotterdam aus in ihrem hölzernen Tournee-Wagen, gezogen von acht Pferden, den europäischen Kontinent als lebendiges Ausstellungsstück. In Rom verlor Clara dann 1750 ihr Horn, vermutlich vor lauter Stress. Ein Wunder, dass sie überhaupt so lange überlebt hatte. Am 14. April 1758 starb Clara, das Panzernashorn, mit fast zwanzig Jahren in London.


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