Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. August 1916 Otto Walter findet Zeus' Kopf

Dass man mit Hilfe antiker Schriften bedeutendste archäologische Funde machen kann, hatte Heinrich Schliemann mit Troja und der Ilias bewiesen. Also nahm Otto Walter den vielleicht ältesten Reiseführer der Welt, verfasst von Pausanias zur Hand und wurde tatsächlich fündig.

Stand: 31.08.2021 | Archiv

31 August

Dienstag, 31. August 2021

Autor(in): Martin Trauner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen." - Sagt der Volksmund. Aber dazu braucht jemand nicht nur "Stock und Hut", sondern auch einen ordentlichen Reiseführer. Darin kann der moderne Bildungsbürger dann etwa lesen, dass es in Athen eine Akropolis gibt. Und wenn er anschließend nach Griechenland fährt, sieht er zu seiner großen Freude, dass die Akropolis genauso ausschaut, wie sie in seinem Reiseführer abgebildet und beschrieben worden ist. Nur: etwas wirklich Neues wird man somit nicht mehr entdecken.

"Reisen bildet"

Otto Walter, ein österreichischer Archäologe, reiste 1916 nach Griechenland, um vielleicht doch noch in peloponnesischer Erde auf etwas Unentdecktes zu stoßen. Was auch damals nicht mehr so ganz einfach war, da einige Jahrzehnte zuvor der deutsche Hobbyarchäologe Heinrich Schliemann vermeintlich beinahe alles das ausgegraben hatte, worüber er zuvor in den Homerischen Epen gelesen hatte. - Otto Walter wollte sich mit kleineren, weniger sensationellen Funden begnügen. Und auch er nahm natürlich ein Buch mit, das -  zwar nicht so alt, wie die Ilias von Homer - aber auch schon gehörig in die Jahre gekommen war: Die Reiseberichte des Pausanias, des "Periegeten" aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. "Perieget"? – Das ist – wörtlich übersetzt – ein „Herumführer“. Ein Reiseführer halt.

Pausanias hatte wohl den ersten Reiseführer der Welt geschrieben. Über Griechenland. Geschrieben für römische Touristen. Geschrieben in der damaligen Weltsprache "Griechisch". -  Nur: damals, also in der guten alten Antike, steckte der Tourismus noch in den Kinderschuhen.

Und so wundert es nicht, dass Pausanias’ mehrbändiges Werk über Griechenland seiner Zeit kein so großer Erfolg werden wollte. - Selbst zu Zeiten von Otto Walter, also knapp zwei Jahrtausende später, zweifelte die Fachwelt, ob Pausanias wirklich höchstpersönlich an jedem jener Orte gewesen sein mochte, die er so ausführlich beschrieben hatte. - Etwa in "Aigeira". Einer kleinen Stadt am Golf von Korinth. -  Aber der österreichische Archäologe Otto Walter vertraute dem Periegeten Pausanias. Hatte der nicht schon damals berichtet: "In Aigeira ist nichts nennenswertes mehr vorhanden, aber in der Oberstadt, der Akropolis, da sei…!"

"Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen"

Ja!: - Da sei eine Zeusstatue "aus pentelischem Marmor zu sehen, ein Werk des berühmten Atheners Euklides" – Also grub Otto Walter in der Oberstadt von Aigeira und: er wurde tatsächlich sehr schnell fündig, Otto Walter schreibt in seinem Bericht für die Jahreshefte des Archäologischen Institutes: "Am 31. August 1916 fand ich im Innern eines dem Theater nahe gelegenen Tempels einen großen bärtigen Kopf".

Und ja: Der Kopf hatte Löcher für einen Kranz, ein Kranz, der nur für Zeus vorgesehen war, der aber leider nicht mehr zu finden war. Und nochmals ja: der Kopf war aus pentelischem Marmor gemeißelt. Also: Treffer! – Das muss ein Überbleibsel der von Pausanias geschilderten Zeusstatue sein. – Ob das wirklich so ist? – Wer weiß. Aber das muss man dem Pausanias lassen: der österreichische Archäologe hatte seine helle Freude daran, dass er das gefunden und gesehen hatte, was er in dessen Reiseführer gelesen hatte…


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