Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. November 1780 Maria Theresia bleibt mit dem Gruft-Fahrstuhl stecken

Manchmal bleibt einem im Leben nichts mehr als einfach aushalten. So geht es Kaiserin Maria Theresia. Mann und Kinder sind gestorben, endlich möchte sie auch in den Himmel und weg von all dem auf Erden. Doch erstmal bleibt sie stecken - ausgerechnet im Aufzug der Kapuzinergruft. Autor: Simon Demmelhuber

Published at: 2-11-2023 | Archiv

02.11.1780: Maria Theresia bleibt mit dem Gruft-Fahrstuhl stecken

02 November

Donnerstag, 02. November 2023

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Alt ist sie geworden. Alt, mürrisch und dick. Seit Kaiser Franz Stephan tot ist, hat Maria Theresia um Kinn und Hüften kräftig zugelegt. 15 Jahre ist das jetzt her, aber die Kaiserin trauert noch immer. 335 Monate oder 1.540 Wochen oder 10.781 Tage oder 258.744 Stunden, so tüpferlgenau hat es die Witwe hergerechnet, waren ihr Mäusel und sie ein glückliches Paar. Und auf einen Schlag ist alles aus. Seitdem trägt sie Schwarz, innen wie außen. Viele meinen, langsam wär's gut mit der Trauer. Aber was wissen die schon! Keine Ahnung haben die Leut', wie sich das anfühlt, wenn einem der Mann, sechs Kinder und am End' die ganze Welt wegsterben.

Blick gen Himmel

Aber es ist, wie es ist, ändern kann sie's eh nicht. Trost findet sie bloß noch beim Beten und Essen. Und drunten beim Mäusel! Fast jeden Tag betet Maria Theresia im Mausoleum unter der Kapuzinerkirche. Sie ist gern in der Gruft. Zum Eingewöhnen quasi. Und weil sie dem Franz Stephan sagen kann, was sonst niemand hören mag: Dass sie aus dem Leben und der Welt hinauswächst, hinüber zu ihm. Dass ihr alles so letz wird. Dass ihr das Schnaufen immer schwerer fällt, dass die Beine nicht mehr wollen, dass jeder Schritt eine Qual, jede Stiege ein Martyrium ist.

Feststecken auf Erden

Ohne Hilfe käm' sie ja nicht einmal mehr herunter zu ihm. Doch gottlob gibt es den Hofarchitekten Hetzendorf. Der hat ihr in Schönbrunn und in der Kapuzinerkirche ein Fliegendes Kabinett eingebaut, so eins, wie sie neuerdings in Versailles très à la mode sind. Chaise Volante nennen sie's dort. Aber ein fliegender Stuhl ist der Apparat eigentlich nicht, eher ein ausgepolsterter Kasten mit einem Sitzbankerl drin.
Und fliegen kann er auch bloß, wenn ihn Bediente am Seil durch einen Schacht ablassen oder hochziehen.

Ein bisserl gruslig ist das Fuhrwerk schon, aber halt auch sehr kommod. Drum nutzt die Kaiserin Herrn Hetzendorfs Maschinerie auch am 2. November 1780, um an Mäusels Sarg zu beten. Lang sitzt sie da und weiß selber nicht, was ihre Gedanken derweil treiben. Dann rafft sie sich auf, eine Hofdame hilft ihr in den Aufzug, schließt die Tür, sanft steigt das Gehäuse auf. Dann plötzlich ein harter Ruck, Holz schrappt an Stein, die Truhe zittert, hängt zuletzt reglos im Schacht.

"Schon wieder!" seufzt die Kaiserin. Solche Faxen macht das Trumm öfter, sie kennt das. Ein bisserl bang ist ihr trotzdem. Gut, dass Kerzen das Kabinett erhellen. Gut, dass sie droben schon fleißig hantieren und werkeln. Gut, dass sie besorgte Stimmen hört: "Halten's aus, Majestät! Mir ham's gleich, lang dauerts nimmer!" Und da wird sie auf einmal ruhig. Ja, denkt sie, lang dauerts wohl wirklich nimmer. Und so ist es gut. So viel Abschiede, so viel Kummer! Es ist genug, es reicht.

Eine halbe Stunde steckt Maria Theresia fest. Aber am Schluss ist sie doch wieder oben, wo Hofbediente und Werkleute sogleich buckelnd um Vergebung bitten. "Ist schon recht", sagt die Kaiserin nur. "Die Gruft will mich eben nimmer loslassen und hat mir heut ein Zeichen gegeben." Ein paar Wochen später zieht Maria Theresia für immer bei Mäusel und den Kindern ein.


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