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17. September 1859 Joshua Norton macht sich zum Kaiser der USA

Am 17. September 1859 ernannte sich Joshua Norton in San Francisco zum Kaiser der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Zeitungen druckten es ab, und weil niemand so recht widersprach, brachte es Norton I. zu einiger Berühmtheit. Reich würde er als Kaiser nicht, aber beliebt! Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 17.09.2021 | Archiv

17.09.1859: Joshua Norton macht sich zum Kaiser der USA

17 September

Freitag, 17. September 2021

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

"Ich, Joshua Norton, aus Algoa Bay am Kap der Guten Hoffnung und seit neun Jahren und zehn Monaten in San Francisco, Kalifornien, lebend, nehme die Forderung einer großen Mehrheit der Bürger vorweg und ernenne mich hiermit selbst - zum Kaiser und Herrscher der Vereinigten Staaten."

Das schrieb, am 17. September 1859, Joshua Norton in einem Brief an die Zeitungen von San Francisco. Und die druckten es ab. Seit diesem Tag hatten die Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur einen Präsidenten, sondern auch noch einen Kaiser.

Ich mach Euch den Kaiser!

Joshua Norton, genannt "Norton der Erste", stammte aus England, geboren irgendwann um 1820. In Südafrika war er aufgewachsen, und als er nach San Francisco kam, hatte er 40.000 Dollar im Gepäck. Ein Geschenk seines Vaters, damit wollte er Geschäfte machen. Norton stieg in den Reishandel ein, der große Gewinne versprach, aber das Schicksal war ihm nicht gewogen, aus den Gewinnen wurden Verluste, und bald war Norton bankrott. Von da an war er - etwas merkwürdig.

Pleite? Trotzdem Kaiser!

Joshua Norton bezog ein kleines Zimmer in der Commercial Street und verbrachte seine Tage damit, in den Straßen von San Francisco auf und ab zu spazieren, angetan mit einer alten, abgetragenen Soldatenuniform. Und weil jeder seinen Selbsternennungsbrief in den Zeitungen gelesen hatte, wussten die Bürger der Stadt: Hier spaziert unser Kaiser. Die Leute mochten ihn, und Norton der Erste mochte sie. Er wechselte freundliche Worte mit ihnen, kümmerte sich darum, dass soweit alles in Ordnung war, und ab und zu verfasste er ein kaiserliches Dekret.

"Jeder, der nach ausdrücklicher Warnung bei der Benutzung des schrecklichen Wortes 'Frisco' - anstatt ‚San Francisco’ - ertappt wird, hat dem kaiserlichen Schatzamt zur Strafe die Summe von 25 Dollar zu entrichten."

Norton der Erste regierte per Zeitungsmeldungen. Was immer er seinem Volk an Erlassen zukommen lassen wollte, schrieb er an die Zeitungen, und die druckten es ab. Zuweilen mischte er sich sogar in ausländische Angelegenheiten ein und beriet etwa die Königin von England in verzwickten politischen Angelegenheiten. Zuhause hatte er - vergeblich - versucht, den amerikanischen Kongress abzuschaffen. Jetzt, wo es ihn, den Kaiser, gab, war der ja nicht mehr nötig. Aber dieses Politikervolk hörte einfach nicht auf ihn.

Dafür war er in San Francisco umso beliebter. Noble Restaurants ließen ihn umsonst bei sich speisen, und in die Fenster hängten sie ein Schild: "Hier diniert der Kaiser der USA!" Norton hatte seinen kostenlosen Logenplatz in Konzerten und Theatern, und weil seine Uniform tatsächlich ein wenig abgewetzt aussah, spendierte ihm die Stadtverwaltung eine neue. Norton der Erste freute sich und versetzte die Stadträte allesamt in den Adelsstand.

Als an einem kalten Abend im Januar 1880 Joshua Norton, der Kaiser der Vereinigten Staaten von Amerika, in den Straßen der Stadt unvermutet zusammenbrach und sein Leben aushauchte, versetzte das die Menschen von San Francisco in tief empfundene Trauer. "Le Roi est mort - der König ist tot" schrieb der "San Francisco Chronicle" auf seiner Titelseite.

Eine Gruppe reicher Unternehmer spendierte eine würdige Beerdigung, 30.000 Menschen säumten die Straßen, der Leichenzug, hieß es, sei über zwei Meilen lang gewesen. Über zwanzig Jahre lang hatte Norton der Erste regiert, und nie wieder hatten die USA einen sanfteren und friedliebenderen Kaiser gehabt.


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