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17. Januar 1978 "John Sinclair", Band eins der Heftserie

Unermüdlich ermittelt Geisterjäger John Sinclair gegen Vampire, Zombies und Werwölfe. Denn genauso unermüdlich schreibt sein Autor Jason Dark jede Woche einen neue Grusel-Heftroman. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 17.01.2020 | Archiv

17 Januar

Freitag, 17. Januar 2020

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Der Geschenkartikel-Vertreter liegt auf dem Rücken.  Er zittert vor Angst. Über ihn gebeugt: drei weibliche Bestien mit Eckzähnen wie Fledermäuse. Sie geifern und fauchen. Ein Biss - und der Vertreter geht unterim Blutrausch seiner Feindinnen und wird selbst zum Vampir.

So gnadenlos geht es zu im "Nachtclub der Vampire", Band 1 der Heftserie "Geisterjäger John Sinclair", erschienen am 17. Januar 1978. Und gnadenlos läuft die Serie weiter, Woche für Woche, über 35 Jahre schon.

Erotisch wie ein alter Dracula-Film

Der Autor und Erfinder der Serie heißt Jason Dark, bürgerlich Helmut Rellergerd. Er ist ein solider älterer Herr mit Reihenhaus in Bergisch Gladbach. Jeden Morgen pünktlich ab 7 Uhr 45 entfesselt er in seinem Arbeitszimmer die Kräfte der Hölle, nur um sie anschließend auf seiner Schreibmaschine Marke Olympia Monica routiniert ins Heftroman-Format zu packen. Ginge es nach der Gesamtauflage, dann wäre Jason Dark mit 350 Millionen der erfolgreichste deutsche Schriftsteller überhaupt. Millionär ist er mit "Geisterjäger John Sinclair" nicht geworden: Heftromane haben, besonders in den goldenen Zeiten der siebziger und achtziger Jahre, die Verlage reich gemacht, nicht die Autoren.

Vergleichbare Serien werden von großen Autorenteams geschrieben, Jason Dark meistert seine Gruselwelt allein. Erfindet immer neue Dämonen, Hexen, Teufel, Henker, Werwölfe und Zombies; mal kleines Gelichter, mal mächtige Gegner, routiniert und zeitgemäß in Szene gesetzt. Aber obwohl das weibliche Höllenpersonal meist wohlgerundet und spärlich bekleidet daherkommt, Sex-Orgien finden nicht statt. Beim Verlag achtet man auf den Jugendschutz.

Die Texte wirken daher ungefähr so erotisch wie ein alter Dracula-Film, und auch die Schockeffekte halten sich im Rahmen. John-Sinclair-Hefte als Lizenzen nach Italien oder Frankreich verkaufen, das geht so gut wie gar nicht, dort ist man Brutaleres gewöhnt. Jason Darks Fangemeinde mag die gute alte Gruselkultur, die auch ohne perverse Gewaltphantasien auskommt.  Und sie genießt es, dass sich die Hölle am Ende jedes Heftchens zuverlässig wieder schließt.

Jede Woche öffnet sich die Hölle

Dass das so ist und so bleibt, dafür sorgt John Sinclair, Oberinspektor bei Scotland Yard und an der Horrorfront nicht zu toppen. Bei Scotland Yard unterhält man nämlich eine eigene Abteilung fürs Übersinnliche, die diskret und effizient gegen den Unrat vorgeht, den die Hölle allwöchentlich ausspeit. So grotesk wie seine Gegner, so normal ist John Sinclair: groß, blond, blauäugig, nette Umgangsformen, ein sympathischer Jedermann.

John Sinclair hat eine Reihe von Waffen gegen das Böse. Die stärkste ist ein silbernes Kreuz, das alle Vampire schrecklich fürchten. Der Prophet Hesekiel hat es in der babylonischen Gefangenschaft geschmiedet, und die Erzengel haben es geweiht. Na, dann kann ja nichts schiefgehen. Toi toi toi, John Sinclair, für die nächsten 1000 Folgen.


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