Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

18. Juni 1928 Erster Flug einer Frau über den Atlantik

Amelia Earhart war Frauenrechtlerin und Flugpionierin. Ihre Karriere begann als Passagierin: als erste Frau flog sie mit über den Atlantik. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 18.06.2021 12:00 Uhr | Archiv

18 Juni

Freitag, 18. Juni 2021

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der 18. Juni 1928 machte Amelia Earhart mit einem Schlag berühmt. An diesem Tag kletterte die Amerikanerin nach 20-stündigem Flug in Wales aus einer Maschine, die der Pilot Wilmer Stultz (=Staltz) begleitet vom Co-Piloten Louis Gordon über den Atlantik gesteuert hatte. Für die beiden Männer interessierte sich kein Mensch.

Lady Lindy

Schließlich hatte ihr Geschlechtsgenosse Charles Lindbergh die Strecke bereits im Alleinflug bewältigt. Aber eine Frau war damals noch das absolute Novum im transatlantischen Flugverkehr. Amelia Earhart musste unzählige Interviews geben. Nein, sie hatte keine Angst gehabt. Und ja, sie trug an Bord - nicht gerade ladylike - einen pelzgefütterten Overall. In London reichte man die waghalsige Passagierin zwei Wochen lang herum. Zurück in den USA ging der Rummel weiter. Die 30-jährige Sozialarbeiterin mit dem blonden Wuschelkopf avancierte zum weiblichen Identifikationsobjekt Nummer 1. Tausende junger Frauen, die aus ihren Ehen oder Familien ausbrechen wollten, schickten ihr Briefe. Und der Präsident der Vereinigten Staaten gratulierte. Bravo! Hinter den Kulissen klopfte sich der Verleger George P. Putnam auf die Schulter. Der Medienmogul hatte nämlich die Kandidatin für den ersten weiblichen Transatlantik-Flug gecastet und schnell erkannt, dass die lässige Amelia Earhart das Zeug zum Star hatte. Allein schon optisch. Die langbeinige, burschikose Frau wirkte wie eine Schwester des berühmten Piloten Charles Lindbergh. Ein Mitarbeiter Putnams kreierte den entsprechenden Spitznamen für das neue "role model", die neue Stil-Ikone: "Lady Lindy". Perfekt. Jetzt galt es, Amelia Earhart in den Schlagzeilen zu halten, um ihren Reisebericht mit dem Titel "20 Stunden 40 Minuten" zu promoten, der im Putnam Verlag (wo sonst?) erschien.

Vielleicht versuche ich es eines Tages selbst

Die Heldin selbst nahm das "Zoo-Element", wie sie es nannte, achselzuckend in Kauf, all die Vorträge und Zeitungsartikel, ja, sogar die Produktlinien, die Putnam mit ihrem Namen auf den Markt brachte. Denn sie wollte fliegen, nichts als fliegen. Amelia Earhart besaß nicht nur selbst eine Fluglizenz. Sie hatte vor Jahren schon – kaum beachtet - einen Höhenweltrekord für Frauen aufgestellt. Doch ohne Publicity kein Ruhm. Und ohne Geld keine Fliegerei. Aus, der Traum. Der gesponsorte Transatlantikflug brachte die Sozialarbeiterin wieder an den Himmel. Wie ein Sack Kartoffeln sei sie sich vorgekommen, zwischen zwei Benzintanks eingeklemmt, während der Pilot seine Arbeit tat, berichtete sie nach der Landung in Wales und fügte hinzu: "Maybe someday I’ll try it alone", "Vielleicht versuche ich es eines Tages selbst". Sie machte es tatsächlich, unterstützt von George P. Putnam, den sie auf sein Drängen sogar heiratete, allerdings nicht ohne sich vorher schriftlich versichern zu lassen, dass er keinerlei "mittelalterliche" Rollenansprüche an sie stellte. Freiheit ging ihr über alles. Und das Geschäftsmodell trug. So kam es, dass Amelia Earhart 1932 als erste Frau im Alleinflug den Atlantik überquerte. Doch nicht genug. Bei ihrem Versuch, als erster Mensch die Erde auf der Äquatorlinie zu umrunden, ging die Pilotin dann fünf Jahre später irgendwo über dem Pazifik verloren. Was der Strahlkraft ihres Namens keinen Abbruch tat. Im Gegenteil.


0