Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. Februar 1625 Älteste von einer Frau komponierte Oper uraufgeführt

"La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina" - so der vollständige Titel der ersten von einer Frau komponierten Oper. In festlichstem Rahmen wurde das Werk am großherzoglichen Hofes von Florenz in der Karnevalsaison 1625 aufgeführt. Offizieller Anlass: der Besuch des polnischen Kronprinzen Władysław Sigismund. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 02.02.2023 | Archiv

02 Februar

Donnerstag, 02. Februar 2023

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Bei allem Respekt vor Bach, Mozart, Verdi, Wagner und Kollegen! Selbst der konservativen Klassikszene dämmert es ja mittlerweile, dass die Tage des männlichen Geniekultes angezählt sind. Und zwar Dank all der emsigen Frauenforscherinnen, die seit Jahrzehnten in den hinterletzten Ecken der Musikgeschichte herumkriechen, um eine vergessene oder bagatellisierte Komponistin nach der nächsten ans Tageslicht zu holen!

Francesca la prima

Und wen haben wir jetzt da? Applaus für Francesca Caccini! Nach aktuellem Wissensstand stammt von ihr die erste, von einer Frau komponierte Oper. Die Gattung war von einigen abendländischen Herren gerade eben erst erfunden worden, als ihr frühbarockes Musikdrama am 2. Februar 1625 zur Uraufführung kam. Mitten im Karneval hatten die Medicis zu Ehren eines polnischen Staatsgastes in die Villa Poggio Imperiale bei Florenz geladen, in den Witwensitz der Großherzogin Maria Maddalena, die damals in Vertretung des noch unmündigen Thronfolgers zusammen mit ihrer Schwiegermutter die Toskana regierte. Logisch, dass die beiden tonangebenden Fürstinnen nicht irgendeinen Typen, sondern ihre allerbeste Hofmusikerin (verheiratet, 1 Kind) mit der Gestaltung des Unterhaltungsprogramms beauftragten. Hier mal eben zum Mitschreiben: So funktioniert Frauenförderung! In einer Zeit, in der Angehörige des weiblichen Geschlechts andernorts eigentlich nur in Bordellen oder Klöstern musizieren durften, herrschten in Norditalien außergewöhnliche Bedingungen. Töchter vornehmer Familien konnten sich hier ungeniert und - protegiert von adligen Mäzeninnen - der bürgerlich-weltlichen Liedkunst widmen.

Francesca dotata

Doch so begabt wie Francesca Caccini waren nur wenige. Schon mit 13 Jahren sang die Tochter eines bekannten Florentiner Komponisten auf der Bühne. Damit sie der französische Hof nicht abwarb, boten ihr die Medicis früh eine gutbezahlte Festanstellung an - was für Caccinis Alltag bedeutete, dass sie bei Tisch zu musizieren hatte und den hochwohlgeborenen Nachwuchs mit der Laute oder Gitarre bespaßen musste.  Ansonsten komponierte sie für diverse Anlässe unter anderem eine Madrigalsammlung, vier Singspiele, ein Passionsoratorium und unterm Strich vielleicht sogar mehrere Opern. Wer weiß. Einzig erhalten ist die besagte innovative Oper: "La Liberazione di Ruggiero", "Die Befreiung des Ruggiero" erzählt von einer verkehrten Welt, in der starke Frauen das Sagen haben und Männer eher schlapp oder versteinert rüberkommen. Klaro, ein Faschingsscherz. Und zum Schlussakt gab es vor der herrschaftlichen Villa im Übrigen ein echtes Pferde-Ballett! Bravissimo! Dass das Stück noch im selben Jahr, also 1625, in Druck ging, spricht für den Beifall, den die Zeitgenossen dieser frühen italienischen Oper zollten. Der ausländische Staatsgast ließ sie sogar für eine Aufführung an seinem Hof in die polnische Landessprache übersetzen. Dann aber verschwand das Werk für Jahrhunderte in der Versenkung. Komponierende Damen kamen in Kirchen, Opernhäusern und Konzertsälen nun einmal nicht zu Gehör. Erst seit den 1980er Jahren wird Francesca Caccinis "La Liberazione di Ruggiero" regelmäßig aufgeführt. Hoffentlich nicht nur, um eine Opernfrauenquote zu bedienen.   


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