Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. Mai 1891 Erste Briefmarke kommt aus einem Automaten

Manchmal liegt eine Idee in der Luft. Etwa die, man müsste doch Briefmarken am Au-tomaten ziehen können. Die Post in Großbritannien probiert es zuerst, ein Neuseelän-der aber weiß, wie es richtig klappt. Autorin: Yvonne Maier

Stand: 05.05.2020 | Archiv

05.05.1891: Erste Briefmarke kommt aus einem Automaten

05 Mai

Dienstag, 05. Mai 2020

Autor(in): Yvonne Maier

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Als Teenager muss man diese Arbeit besonders stupide finden: Jeden Tag dieselben Briefmarken am Schalter zu verkaufen. Eine Marke nach der anderen abrollen, abreißen, verpacken, Geld kassieren. Dutzende Mal am Tag. Dem 15-jährigen Robert James Dickie wurde es im Postamt in Wellington in Neuseeland jedenfalls bald zu bunt. Was für eine Zeitverschwendung.

Langweilig!!!!

Robert machte hier gerade seine Ausbildung zum Postbeamten, und durchlief, wie jeder damals, alle Abteilungen. Doch Briefmarken abreißen? Das konnte man nach dem 3. Mal! Dafür müsste es doch eine Maschine geben. Immerhin gab es jetzt ja auch schon Bewegtbilder im Kino zu sehen - warum kann ein Foto auf eine Wand projiziert werden, aber keine Maschine Briefmarken ausgeben? Das ist doch absurd, dachte sich Robert James Dickie. Also, da musste doch was gehen.

Gute Idee, aber wie umsetzen?

13 Jahre lang spukte diese Idee in seinem Kopf herum. Er schrieb später, dass er ganz besessen davon gewesen sei, das Rätsel zu lösen. Er konnte nicht mehr ruhig schlafen - und um endlich Ruhe zu finden, stellte er sich die Aufgabe: Entwickle einen Briefmarkenautomat. Jetzt war er aber kein Ingenieur, sondern nur ein verzweifelter Postmann – und simpel war die Sache nicht. Von einem am 5. Mai 1891 beispielsweise im Hauptpostamt in London aufgestellten Testautomaten, sprach kein Mensch. Dickie wollte viele Automaten, die funktionierten. Zusammen mit einem Zeichner und einem Ingenieur tüftelte er weiter. Die drei sollten später das Patent gemeinsam anmelden. Es war am Ende ein einfacher Mechanismus: Das Gewicht der Münze, die oben in die Maschine eingeworfen wird, bewegt innen ein Rad und das wiederum wirft die einzelne Briefmarke unten aus. Perfekt.

Fast. Denn Briefmarken lieferte die staatliche Poststelle in Australien nicht in einem Streifen aus, sondern in Bögen. Und sie ließ sich auch nicht überreden, das Format zu ändern. Wo käme man denn da hin! Was blieb Robert James Dickie anderes übrig, als die Bögen von Hand mit einer Schere in lange Streifen zu schneiden, mit der seine Maschine etwas anfangen konnte.

1905 dann war der große Auftritt - er führte seinen Briefmarkenautomat den Chefs der Post vor. Das Feedback - ja, durchwachsen. Sie fanden die Idee ganz gut, alright auf English - aber sei ihm denn auch klar, wie schnell da hunderte Münzen im Automat rumliegen würden? Ganz ohne Tresor? Das Postamt könne es leider nicht verantworten, so viel Geld unbewacht zu lassen. Sorry, durchgefallen, die ganz gute Idee. Robert James Dickie musste also wieder selber ran. Er entschied: Ich sammle das Geld jeden Abend ein und liefere es ab!

Es funktionierte, die Post ließ sich auf einen Versuch ein. 1906 also war es so weit - ein Unbekannter aus der Stadt Wellington zog sich die erste Briefmarke aus einem Automaten. Die Kunden waren begeistert. Innerhalb von zwei Wochen waren 3.901 Marken verkauft! Doch dann lief wieder was schief! Betrüger hatten die Maschine mit ausländischen Münzen ausgetrickst. Also - zurück in die Werkstatt. Mit einem fälschungssicheren Münzschlitz ausgestattet begann Robert James Dickies Briefmarkenautomat seinen Siegeszug um die Welt. 


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