Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. Juli 1992 Ermittlungsrichter Borsellino sagt seine eigene Ermordung voraus

Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sind Freunde aus Kindertagen, stammen aus dem gleichen armen Viertel in Palermo. Zusammen werden sie später erfolgreiche Mafia-Jäger sein. Doch die Cosa Nostra schlägt zurück und bringt die beiden um. Dadurch werden sie zu Helden. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 13.07.2021 | Archiv

13 Juli

Dienstag, 13. Juli 2021

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach / Susi Weichselbaumer

Auf dem bekanntesten Foto, das es von ihnen gibt, schauen sie aus wie zwei richtige Lausbuben: Der pausbäckige Giovanni beugt sich zu seinem Kumpel, grinst, flüstert ihm etwas ins Ohr.  Der spitznasige Paulo lauscht und lächelt verschmitzt vor sich hin. Dass das Foto bei einem offiziellen Anlass entstanden ist, sieht man an den gut geschnittenen Anzügen, die die zwei anhaben und an den Mikrofonen. Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, die wohl berühmtesten Mafia-Jäger Italiens, traten in der Öffentlichkeit gerne als gut gelaunte Spaßvögel auf.

Ziemlich beste Freunde

Sie waren befreundet seit ihrer Kindheit in einem Armenviertel von Palermo. Beide studierten Jura und kämpften bald als Ermittlungsrichter gegen die Cosa Nostra, die sizilianische Mafia. Schon als Buben in kurzen Hosen hatten sie deren allgegenwärtige Macht gespürt, die regelmäßigen Hinrichtungen erlebt, wo alle paar Tage irgendwo einer von Kugeln durchsiebt wurde, vorzugsweise mittags auf dem Marktplatz.

Showdown

Sie waren nicht die ersten, die mit Trotz und fast schon absurder Furchtlosigkeit diesen Kampf aufnahmen. Aber sie waren wohl die erfolgreichsten. Falcone drang regelrecht in die Psyche seiner Gegner ein, brachte wichtige Bosse zum Reden, und nach vielen Jahren der emsigen Arbeit den sogenannten Mammutprozess ins Rollen: In einem raketensicheren Bunker wurde gegen 475 Angeklagte verhandelt, nach zwei Jahren wurden drei Viertel von ihnen verurteilt – zu insgesamt 2665 Jahren.

Für die italienische Justiz ein gigantischer Erfolg. Den beiden Mafiajägern selbst half auf Dauer weder ihre notorische Heiterkeit, noch die Schar der Leibwächter, die sie stets um sich hatten.

Drei Jahre nach Ende des Prozesses, im Frühsommer 1992, ließ der berüchtigte Oberboss Totò Riina nicht weniger als eineAutobahn in die Luft sprengen, um Falcone umzulegen. Von der Autobahn blieb nur ein Krater, Giovanni, seine Frau und drei Leibwächter waren tot.Paolo verlor an diesem  Tag nicht nur seinen besten Freund. Ihm war klar, dass er der Nächste sein würde. 51 Tage später, am 13. Juli 1992, sagte er in einem Interview: "Ich weiß, dass das TNT für mich schon eingetroffen ist". Sechs Tage später wollte er seine Mutter besuchen. Er kam nur bis zur Eingangstür. Der Sprengsatz zerriss ihn und fünf Leibwächter, die Explosion war in ganz Palermo zu hören.

Unklar ist bis heute, ob Borsellino seine Gegner so gut kannte, dass er einfach ausrechnen konnte, wie kurz er noch zu leben hatte. Oder ob er noch mehr wusste. Seine Frau war sich damals sicher, dass die Regierung in Rom ihren Mann geopfert hatte, um die Mafia zu irgendwelchen Zugeständnissen zu bewegen. Die jedenfalls hatte sich verrechnet. Die beiden Anschläge brachten ganz Sizilien dazu, sich endlich gegen die blutgierige Ehrenwerte Gesellschaft zu erheben. Bei den Trauerfeiern gab es Tumulte, Hunderttausende demonstrierten, Rom schickte Soldaten, die Cosa Nostra begab sich auf einen langsamen Rückzug.

Und das bekannte Bild von Falcone und Borsellino wurde zum Symbol der Anti-Mafia-Bewegung. Heute ziert es in riesigem Ausmaß eine Häuserwand am Hafen Palermo. Giovanni grinst, Paolo lächelt, sie schauen immer noch aus wie zwei Lausbuben.


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