Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Juli 1614 Die Handelsgesellschaft der Welser ist bankrott

Eine Handelsimperium, dass die halbe Welt umspannt. Von Augsburg aus geleitet und an allen Ecken und Enden investiert. Das kann doch nicht von heute auf morgen pleite machen? Doch. Autorin: Birgit Magiera

Stand: 01.07.2020 | Archiv

01 Juli

Mittwoch, 01. Juli 2020

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Das Ende war schon länger absehbar: Am 1. Juli 1614 war das internationale, marktbeherrschende, traditionsreiche Firmenimperium der Familie Welser offiziell zahlungsunfähig. So endet im Sommer 1614 die lange Erfolgsgeschichte der Welser Handelsgesellschaft, einem der Big Player des frühen Kapitalismus in Europa.

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Ihre Blütezeit erreicht die Firma mit Stammsitzen in Nürnberg und Augsburg knappe hundert Jahre zuvor. Anfang des 16. Jahrhunderts wird unter der Leitung von Bartholomäus Welser aus den damaligen Tuch- und Edelmetall-Händlern nach und nach ein weltumspannendes Import-Export-Unternehmen und Bankgeschäft - mitfinanziert durch Fremdkapital und spekulative Geschäfte. Die Welser machen in Safran und Pfeffer, unterhalten Handelsniederlassungen in ganz Europa, von Sevilla, über Venedig und Antwerpen bis Prag.

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Als die wohl lukrativste Investition erweist sich die Finanzierung der Kaiserwahl 1519. Zusammen mit anderen Geldgebern statten die Welser den Habsburger Karl V. mit großzügigen Krediten aus, sodass er sich die Wahl zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation erkaufen kann. Weil Karl V. auch spanischer König ist und den Welsern einen Gefallen schuldig, eröffnen sich der Familie jetzt auch in Spanien und Übersee neue Möglichkeiten

Die Handelsgesellschaft bereitet sich auf ein Mammut-Unternehmen vor: Man will ein großes Stück vom Kuchen der gerade erst entdeckten Neuen Welt abhaben. Karl V. überträgt der Familie Welser die Statthalterschaft über die erst noch zu gründende Kolonie Venezuela, an der Nordküste Südamerikas.

Ziel ist es, "El Dorado" zu finden, das sagenhafte Land des Goldes. 600 spanische Kolonisten und mehrere Bergbauspezialisten aus Tirol und Süddeutschland sollen zunächst an der venezolanischen Küste Häfen und Stützpunkte gründen und eine einträgliche Plantagenwirtschaft aufbauen. Dafür erhält die Gesellschaft die Erlaubnis, viertausend Sklaven aus Afrika nach Amerika zu importieren. – Aber es läuft nicht so wie gedacht: als schließlich Karl V. entscheidet, dass der spanische Staat sich künftig selbst um die Verwaltung seiner Kolonien kümmern wolle, endet das kostspielige Venezuela-Abenteuer der Augsburger Kaufleute.

1552, die Firma steht in voller Blüte, scheidet Bartholomäus Welser aus dem aktiven Geschäftsleben aus. Seine Söhne und Neffen haben weniger Geschick als er und auch weniger Glück: Staatsbankrotte in Frankreich und Spanien und geschäftliche Fehlentscheidungen bringen horrende Verluste. Außerdem läuft der Konfessionskonflikt zwischen evangelisch und katholisch mitten durch die Familie.  Die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft hängt irgendwann nur noch am guten Ruf ihres Teilhabers Marx Welser, der ein hohes Amt im Rat der Stadt Augsburg innehat. Dessen Tod bringt der Firma das endgültige Aus, am 1. Juli 1614. Nach einer kurzen Schuldhaft konzentrieren sich die Bankrotteure und deren Nachkommen erfolgreich auf Karrieren in politischen und geistlichen Ämtern.


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