Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. August 79 Der Untergang von Pompeji

Er ist als einer der berühmtesten Vulkanausbrüche in die Geschichte eingegangen, dabei war er historisch gesehen nicht einmal der heftigste. Entscheidend ist eben auch eine gute Berichterstattung. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 24.08.2020 | Archiv

24 August

Montag, 24. August 2020

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Nun gibt es ja unbestritten viele fleißige und kluge Theologen auf der Welt. Trotzdem sind grundlegende Fragen zum Jenseits noch unbeantwortet. Zum Beispiel: Wie geht´ s eigentlich nach dem menschlichen Ableben genau weiter? Wie kommt so ein frisch Verblichener klar mit dem plötzlichen Grad höherer Einsicht, der sich ihm drüben bietet? Also hat einen Christopher Columbus etwa nach seinem irdischen Tod prompt noch einmal der Schlag getroffen, als er nämlich oben erfuhr, dass er unten gar nicht den Seeweg nach Ostindien, sondern nur den nach Amerika entdeckt hatte? Schwer zu sagen. Die Theologie hat da Forschungsbedarf. Was auch an der dünnen empirischen Basis liegen mag: Augenzeugen sind nämlich selten. Oder wie der Bayer sagen würde: Es is no koana zruckkemma! Zumindest kein Normalsterblicher.

Gewisses weiß man nicht…

Was natürlich ausgesprochen schade ist. Denn Augenzeugen genießen ja grundsätzlich eine hohe Glaubwürdigkeit. Manchmal sogar zu Recht. Das beste Beispiel dafür bietet der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus, bei dem die römischen Städte Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis verschüttet wurden. Viele Tausend Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Trotzdem, sagen Vulkanologen heute, habe es sich um kein besonders extremes Ereignis gehandelt, zumindest was den Vulkanexplosivitätsindex angeht. Auf dieser logarithmisch gestuften Skala von 0 bis 8 wird die Stärke eines Vulkanausbruchs angegeben. Der Vesuv im Jahr 79 brachte es gerade mal auf fünf! Was in der Erdgeschichte für einen Spitzenplatz eindeutig zu wenig ist im Vergleich zu einem Dutzend anderer Ausbrüche.

Nichtsdestoweniger historisch!

Dass es der Vesuvausbruch von 79 dennoch zu historischer Berühmtheit brachte, lag vor allem an einem höchst talentierten und zuverlässigen Augenzeugen. Der gerade einmal 18-jährige Plinius der Jüngere erlebte die Tage der Eruption in der Hafenstadt Misenum im Golf von Neapel. Jahre später berichtete er in zwei Briefen an den berühmten Historiker Tacitus von jener Katastrophe, bei der auch sein Onkel Plinius der Ältere gestorben war.

Dieser Onkel – ein angesehener Staatsbeamter und Schriftsteller – war der Verfasser der ersten römischen Naturgeschichte. Und zum Zeitpunkt des Vulkanausbruchs Admiral der römischen Flotte. Der Neffe hat aber nicht nur den Tod dieses berühmten Onkels dokumentiert, sondern auch alles andere. Und zwar höchstminutiös: Den Aufstieg der Eruptionssäule, den Niederschlag von Asche und Bimssteinen, die Erdstöße, den Rückzug des Meeres.

Datiert ist diese erste detaillierte Dokumentation einer Naturkatastrophe auf den 24. August des Jahres 79. Neuere Forschungen zweifeln am genauen Termin; sie verlegen die Eruption eher auf den 24. Oktober. Vermutlich war einem der mittelalterlichen Kopisten beim Übertragen der Briefe ein Fehler unterlaufen. Plinius dem Jüngeren kann´s freilich egal sein. Ihm ist ewiger Ruhm gewiss. Bis heute lesen Lateinschüler seine Vesuv-Reportage. Und Vulkanologen sprechen bei außerordentlich explosiven Ausbrüchen von Plinianischen Eruptionen. Tja, mehr kann man als Augenzeuge doch eigentlich kaum erreichen.


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