Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. April 1860 Der Pony-Express nimmt seinen Betrieb auf

Über die Distanz von 3100 Kilometern waren die Kurierreiter des Pony-Express unterwegs. Sie waren schnell, ihre Logistik ausgeklügelt – und finanziell ein Desaster. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 03.04.2019 | Archiv

03 April

Mittwoch, 03. April 2019

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Eigentlich sagte schon die Stellenanzeige alles: Gesucht: junge, dünne, drahtige Burschen – nicht über 18. Perfekte Reiter und bereit, jeden Tag dem Tod ins Auge zu schauen. Waisen bevorzugt.

Kleiner Reiter, großer Krieger?

Es ist nicht sicher, ob der überlieferte Text echt ist – egal, Billy Tate erfüllte alle Anforderungen. Bis er im heutigen Nevada mit einer Gruppe Pajute-Indianer in Konflikt geriet. Er schaffte es noch sieben Angreifer zu erschießen, bevor er selbst von Pfeilen gespickt wurde. Aber die Pajutes skalpierten den toten Billy nicht. Sie achteten ihn offenbar als großen Krieger.

Dabei war er ein kleiner Reiter, 14 Jahre alt und eigentlich nur ein Briefträger. Ein Bote des Pony Express – der so zum amerikanischen Gründungsmythos gehört, wie der Goldrausch oder das Duell in der Mittagssonne.

1860, da endeten die Vereinigten Staaten noch ungefähr in der Mitte des Kontinents. In Missouri war Schluss, dahinter Indianergebiet, Prärien, hohe Berge, ein paar weiße Siedlungen, Klapperschlangen. Und nochmal dahinter zwei neue Staaten: Kalifornien, entstanden aus dem Goldrausch, und Oregon. Wollten die Oststaatler ihren Verwandten an der Westküste einen Brief schreiben gab es zwei Wege. Erstens: übers Meer! Per Schiff die Ostküste hinunter nach Süden, bis Panama. Dort zu Fuß durch den Dschungel, dann wieder aufs Schiff und wieder rauf nach Norden. Oder per Postkutsche. Die nahm immerhin den direkten Weg, wurde aber häufig überfallen – und brauchte fast einen Monat.

Westwärts

Da musste es doch etwas Schnelleres geben, sagten sich die drei Postkutschen-Unternehmer Russel, Majors und Waddel – und verfielen auf die Idee mit den jungen, tollkühnen Reitern.

Innerhalb von nur drei Monaten wurden entlang der 3200 Kilometer langen Route bis Sacramento in Kalifornien mehr als 180 Versorgungsstationen aus dem Boden gestampft und 120 der jungen dürren Wilden angeheuert. Am 3. April 1860 ging in St. Joseph, Missouri die erste Postsendung auf die Reise. Die halbe Stadt war dabei, eine Kanone wurde abgefeuert und der allererste Reiter, vermutlich hieß er Johnny Fry, galoppierte los. 90 Meilen westwärts, bis er seine Fracht an den nächsten übergab.

Im Schnitt ritten die einzelnen Reiter 120 Kilometer. Unterwegs wechselten sie mehrmals die Pferde, übrigens keine Ponys, sondern Vollblüter oder Mustangs. Wenn ein Reiter ausfiel, machte der erste einfach die doppelte Strecke. Jack Keetley erreichte die Endstation nach 550 Kilometern – im Tiefschlaf. Amerikanische Heldengeschichten. Insgesamt dauerte der lange Ritt nach Sacramento zehn Tage.

Doch den Pony Express gab es nur 18 Monate. Obwohl das Porto für einen Brief ein Vermögen kostete, machte die Company hohe Verluste. Und endgültig Schluss war, als die Telegrafenleitung an die Westküste fertig wurde. Statt junger federleichter Reiter, die ihr Leben riskierten, gab es nun behäbige Angestellte, die in Telegrafenstuben auf Knöpfe drückten. Ein schönes Beispiel, wie der Fortschritt das Leben einfacher macht. Sicherer, bequemer auch schneller. Aber ob die Telegrafisten wirklich glücklicher waren, als die Reiter, die allerdings jeden Tag Kopf und Kragen riskierten? Die Frage bleibt offen.


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