Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. November 1933 Comedian Harmonists singen für Winterhilfswerk

1933 hatte die musikalische Karriere der Comedian Harmonists ihren Höhepunkt erreicht. Dann wurde auf Betreiben von Joseph Goebbels die Reichskulturkammer gegründet: Die nationalsozialistische Institution verhängte Berufsverbote für jüdische Künstlerinnen und Künstler und zerstörte die Weltkarriere des Sextetts. Autor: Frank Halbach

Stand: 24.11.2023 | Archiv

24 November

Freitag, 24. November 2023

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Von wegen: "Einmal schafft’s jeder". Da fragt man sich als begabter, aber zu Unrecht immer noch unbekannter, junger Künstler: „Kleiner Mann, was nun“? Man muss weiter denken: „Jetzt oder nie!“
Dann kann das Leben echt "Wochenend‘ und Sonnenschein" werden. Besonders wenn man seinen Erfolg mit Freunden teilen kann - denn ein Freund ein guter Freund ist Schönste, was es gibt auf der Welt. Das Sextett, um das es hier geht, konnte tirilieren und jubilieren, denn ein, nein ihr Lied, ach was, ihre Lieder gingen um die Welt.

Der große braune Kaktus

Die Comedian Harmonists hatten es geschafft: 150 Konzerte im Jahr, ihre Karriere war Hot und Swing. Als A-cappella-Vokalgruppe, die bis auf Pianobegleitung ohne Instrumente auskamen und deren Gesang auf Close-Harmony-Effekte abgestimmt war, veredelten sie selbst banalste Melodien. Sie sangen ihre Hits längst mehrsprachig und waren internationale Stars, die erklärten Lieblinge des großen Publikums. So ein Comedian Harmonist verdiente in den harten Zeiten der großen Depression etwa 50 Millionen Reichsmark pro Sangeskehle und Jahr. Da konnte man schon mal verschmerzen, dass einen ein kleiner grüner Kaktus stach, möchte man meinen - falsch gedacht. Denn so klein war der Kaktus leider nicht. Er war unglücklicherweise so viel mehr als ein Fliegenschiss. Und er war auch nicht grün, sondern braun.
Soeben hatte Propaganda-Minister Joseph Goebbels die Reichskulturkammer zur Gleichschaltung der Kultur gegründet.

"Morgen muss ich fort von hier."

Doch die Comedian Harmonists hielten die nationalsozialistische Institution wohl zunächst wirklich lediglich für einen kleinen grünen Kaktus, der sicher nicht an ihrer künstlerischen Qualität, oder zumindest ihrer Prominenz und ihrem Erfolg nicht vorbeikäme.
Zwei Monate nach der Gründung der Reichskulturkammer dachten die Harmonists selbstbewusst: "Hollari, hollari, hollaro! Piek, piek, piek, piek!"  Und setzten ein Zeichen, indem sie am 24. November 1933 in der Berliner Philharmonie auftraten: "Zum Besten des Winterhilfswerks des deutschen Volkes"
Der große braune Kaktus stach zurück. Der Reichspropagandaminister verordnete im folgenden Frühjahr: Wer öffentlich auftreten will, muss Mitglied der Reichskulturkammer sein. Und wer Mitglied sein will, der braucht einen Arier-Nachweis.
Da drei der sechs Mitglieder der Comedian Harmonists Juden beziehungsweise jüdischer Abstammung waren, wurde aus Sicht der Reichskulturkammer aus dem vollendet harmonischen Gesang des Sextetts umgehend ein widerliches Gequäke übelster Sorte. Den drei Sängern jüdischer Herkunft wurden Berufsverbote erteilt.
Zwar überlebten alle sechs Mitglieder der Comedian Harmonists das Nazi-Regime, zusammen auf der Bühne oder vor dem Mikrofon standen sie jedoch nie mehr. Ihre letzte gemeinsame legale Plattenproduktion trug den Titel: "Morgen muss ich fort von hier."


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