Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Dezember 1946 Christian Dior richtet sein Atelier in Paris ein

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der unbekannte Modezeichner Christian Dior schlagartig berühmt: Seine opulenten Kleider mit femininer Silhouette trafen den Nerv der Zeit, die von Purismus und praktischer Schlichtheit genug hatte. Ehemalige Größen wie Coco Chanel mussten ihn vorbeiziehen lassen. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 16.12.2022 | Archiv

16 Dezember

Freitag, 16. Dezember 2022

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Alles, was sein Leben sei, habe er in seinen Kleidern zum Ausdruck gebracht, sagte der Modeschöpfer Christian Dior einmal über sich selbst. Als er am 16. Dezember 1946 sein erstes Atelier in Paris eröffnete, war er ein noch völlig unbekannter Modezeichner, der ganz unverhofft die Chance bekommen hatte, die künstlerische Leitung eines neuen Haute-Couture-Hauses zu übernehmen.

So schnell nach dem Krieg? Ja, das war genau die richtige Zeit. Die eleganten Pariserinnen wünschten sich nach Jahren voller Uniformen, Militär und Dienstverpflichtung das Wunderbare, das Märchenhafte, Überfluss und Luxus zurück. Und diesen Wünschen war Christian Dior, ein schüchterner, etwas beleibter, äußerlich unauffälliger Mann, mit ganzer Seele ergeben.

Stoffe, Formen, Farben

Die Wochen vor der Eröffnung waren turbulent und stressig. Die exquisiten Räume mussten gestaltet, der Mitarbeiterstab zusammengestellt und Mannequins gesucht werden - per Zeitungsanzeige. Prompt stürmten junge Frauen aus dem Rotlichtmilieu die Rue Montaigne Nummer 30, wo sich noch heute die Zentrale des Hauses Dior befindet. Sie glaubten, hinter dem Jobangebot verberge sich die Neueröffnung eines Bordells. Es waren auch Schönheiten darunter, aber leider ohne Le bon genre, die feine Art, die Dior so schätzte. Nie wieder Annonce, schwor er sich und ließ seine gesamte Belegschaft ausschwärmen, um geeignete junge Frauen anzuwerben.

Es braucht Damen!

Danach zog sich er sich zu Freunden in den tief verschneiten Wald bei Fontainebleau zurück, um zu zeichnen und zu entwerfen.

Nicht die Revolution der Mode lag ihm in Sinn, schrieb er später, vielmehr strebte er nach dem "rechtschaffenen Ausdruck eines inneren Gefühls": Frauen sollten sich wieder wie Prinzessinnen fühlen dürfen, mit Kleidern, die ihre weiblichen Rundungen betonten, die Taille, den Busen, mit wadenlangen Röcken wie Blumenkelchen aus verschwenderischen Stoffen, kombiniert mit Wagenradhüten und Handschuhen. Diors erste Modenschau im Februar 1947 war ein überwältigender Erfolg und machte ihn mit einem Schlag berühmt. Der sprichwörtliche "New Look" war geboren.

Sehr zum Ärger von Coco Chanel übrigens. Die längst etablierte Designerin hatte die Frauen bereits in den 1920er Jahren vom Korsett befreit, ihnen bequeme Hosen, Jerseystoffe, lockere Kostüme und das "kleine Schwarze" gegönnt, dazu Modeschmuck und Kurzhaarschnitte: sportliche, praktische Mode für die moderne, berufstätige Frau. Die Kleider ihres Konkurrenten fand sie schwer und steif, die würden ja nicht mal in einen Koffer passen, lästerte sie. Es half aber nichts: Ihr Stern war im Sinken. Zu groß war die Sehnsucht nach blühender, opulenter, weiblicher Schönheit. Vom Purismus hatten die kriegsgebeutelten Menschen genug. Christian Dior führte seinen "Feldzug in Spitzen", wie er das nannte, siegreich weiter fort und machte Paris wieder zur Welthauptstadt der Mode. 


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