Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. März 1987 "Burda Moden" erscheint auf Russisch

Mode kennt keine Grenzen. Jedenfalls kümmert Aenne Burda und Raissa Gorbatschowa wenig, dass es da einen Eisernen Vorhang gibt. Und so erscheint "Burda Moden" eben auch auf Russisch. Autorin: Prisca Straub

Stand: 08.03.2021

08 März

Montag, 08. März 2021

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Es ist ein Foto, das um die Welt geht: Raissa Gorbatschowa, First Lady der UdSSR, empfängt hohen Besuch - aus dem deutschen Offenburg: die Verlegerin Aenne Burda, 77 Jahre, Königin der Mode zum Selbermachen. Wie beste Freundinnen sitzen die gepflegten Damen nebeneinander auf dem Sofa beim Tee - die eine mit Puffärmeln, die andere mit breiten Schulterpolstern und cremefarbener Schleifenbluse - und: Sie strahlen. Was es zu feiern gibt? Aenne Burda ist in Moskau ein sagenhafter Coup gelungen: Ihr Magazin "Burda Moden" erscheint jetzt - auf Russisch! - Nicht nur als erstes Modeblatt - als erste West-Zeitschrift überhaupt.

Frauen freuen sich

Das Datum ist bewusst gewählt - der 8. März 1987, Internationaler Frauentag. Die kyrillisch beschrifteten Schnittmuster preisen die Vorzüge des Selbermachens. Doch Aenne Burda gelingt mit ihren Nähanleitungen noch viel mehr: Mühelos schiebt sie den Eisernen Vorhang ein Stück beiseite. Sogar der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher ist beeindruckt: Die Unternehmerin habe mit ihrer Modezeitschrift mehr geleistet "als drei Botschafter zusammen".

Es ist Aenne Burdas größter Triumph. Aber nicht ihr erster. Schon kurz nach Kriegsende hatte die junge Ehefrau und Mutter geschäftliches Geschick bewiesen: Aenne hatte nämlich entdeckt, dass ihr Verleger-Gatte nicht nur zahlreiche Affären hatte, sondern sogar eine außereheliche Tochter. Statt aber einen Termin beim Scheidungsrichter zu vereinbaren, zitiert sie Franz Burda zum Notar - zur "Wiedergutmachung". Und zwar zu einer ganz speziellen: So wird sie die neue Inhaberin des kleinen Modeverlags, den der ertappte Gatte eigentlich seiner Geliebten finanziert hatte. Rache ist süß. Und Aenne macht aus dem maroden Unternehmen das Erfolgsmodell "Burda Moden".

Dem Ehemann bleibt sie dafür bis zuletzt eine repräsentative Begleiterin, doch als Self-Made-Woman geht sie ihre eigenen Wege: "Ich bin Burda-Moden" - und mit Kindern zu spielen, ist sowieso nicht "mein Ding"… "Dafür gibt es Personal!"

Wunder sind machbar

Statt Ehe- und Familienglück also: Schnittmuster für Millionen. Die Zeit ist ideal für Selbstgeschneidertes. Im Nachkriegsdeutschland sind die Damen ausgehungert nach schicker, tragbarer und günstiger Mode: "Elegantes zur Cocktailstunde", "Schönheit zum Selbermachen" in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden; farbenprächtige Glockenröcke, breite Bordüren. Innerhalb weniger Jahre wird Aenne Burda zur Marktführerin auf dem Zeitschriftenmarkt, macht mehr Umsatz als ihr Mann: "Nähen ist ein schönes Hobby". Statt von einem Dior-Kleid zu träumen, solle frau sich lieber eins schneidern. Denn: "Wunder sind machbar!"

Ihren Mitarbeitern gegenüber ist sie allerdings unnachgiebig und rücksichtslos. Eine misslungene Bildstrecke? Die Wutausbrüche der Chefin sind legendär. Auch von Frauenemanzipation will die Vorzeige-Frau nichts wissen. Ein Betriebskindergarten? Kurzerhand weggebügelt. Sie habe es ja auch geschafft! Übrigens: Eine Nähmaschine hat die Grande Dame der Schnittmuster Zeit ihres Lebens nicht angerührt. Ach ja - und ob Raissa Gorbatschowa sich je ein schickes Schwarzes nach Burda-Anleitung geschneidert hat, ist nicht bekannt.


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