Bayern 2 - Das Kalenderblatt


2

9. November 1929 "Buddenbrooks" von Thomas Mann kommen auf den Markt

Ein weiteres schmales Bändchen des jungen Autors hatte der Verlag sich erhofft. Allerdings gab der direkt einen dicken Wälzer ab. Der Verlag zögerte zunächst, der junge bekam später den Nobelpreis dafür. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 09.11.2020 | Archiv

09 November

Montag, 09. November 2020

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Als der legendäre Verleger Samuel Fischer das Manuskript der "Buddenbrooks" im August 1900 zum ersten Mal sah, bekam er einen Schreck. Der Stapel handbeschriebener Seiten war riesig, obwohl man sich doch ausdrücklich auf einen kurzen Roman verständigt hatte. Der Autor, ein Lübecker Kaufmannssohn namens Thomas Mann, war erst 25 Jahre alt. Bislang hatte er nur einen schmalen Novellenband veröffentlicht, der sich schlecht verkaufte. Da schien es doch ratsam, bei Folgewerken kleine Brötchen zu backen.

Viel Stoff…

Doch Thomas Mann hatte vieles zu verarbeiten und sich beim Schreiben nicht bremsen können. Die "Buddenbrooks" sind eine Lübecker Kaufmannsdynastie, die sich im Verfall befindet, aus ähnlichen Gründen wie seine eigene Herkunftsfamilie. Die Dynamik der Industrialisierung korrumpiert das traditionelle Geschäftsleben. Alle Versuche, die Firma durch Geldheiraten zu stabilisieren, gehen gründlich schief, emotional natürlich sowieso und geschäftlich leider auch. Die verunsicherten Protagonisten werden von Generation zu Generation anfälliger für die Verzauberung durch die Kunst. Die unterhöhlt das bürgerliche Arbeitsethos! Zum Schluss stirbt der letzte Erbe, der hochmusikalische und lebensuntüchtige Hanno. In seinem Schicksal spiegeln sich Thomas Manns eigene Gefährdungen, die er sich sozusagen von der Seele schrieb.

Was ein Wälzer!

Verleger Fischer konnte sich die Zeit für so ein umfangreiches Manuskript allerdings nur mühsam abringen. Den Lesern würde es ähnlich ergehen, befürchtete er. Die moderne Welt nahm immer mehr Tempo auf, die Lebensgewohnheiten änderten sich. Man müsse das Werk um die Hälfte kürzen, schrieb er an Thomas Mann. Und der schrieb zurück, das komme ganz gewiss nicht in Frage. Kurzweiligkeit habe nichts mit der Länge zu tun. 

Und er hatte Recht. Die "Buddenbrooks" kamen an mit ihrer Mischung aus melancholischer Dekadenz, psychologischem Scharfsinn und unterschwelligem Humor. Der ungekürzte Roman verkaufte sich gut, begründete den Ruhm des Autors und mehrte den des S. Fischer Verlags.

Knapp dreißig Jahre später fasste Thomas Mann den Plan, die "Buddenbrooks" als preisgünstige Volksausgabe zu vermarkten. 2 Reichsmark und 85 Pfennige sollte sie kosten. Ein anderer Verlag hatte das Billigbuch als Geschäftsmodell soeben entwickelt und seine Fühler bereits nach Thomas Mann ausgestreckt. Um ihn nicht zu verlieren, gab Samuel Fischer seine anfänglich massiven Widerstände gegen das Drücken der Buchpreise auf.

Schon die erste Ankündigung der Volksausgabe löste eine gewaltige Nachfrage aus. 40 Lastwagen waren nötig, um am 29. November 1929, dem Tag der Auslieferung, allein die Berliner Buchhandlungen zu beliefern. Damit war das "Taschenbuch" auf den Weg gebraucht, das bis heute zum Lesealltag gehört. Und Thomas Mann bekam bald darauf den Nobelpreis.


2