Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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29. Oktober 1917 Berliner Oberturnwart legt Regeln für das von ihm erfundene Handballspiel fest

Handball: ein Spiel eigens erfunden als Sportart für Frauen. Das blieb nicht lange so: Der Berliner Turnlehrer Carl Schelenz machte es härter und schmerzvoller: Etwas für "echte Männer". Autor: Thomas Grasberger

Stand: 29.10.2020 | Archiv

29 Oktober

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Sportwettbewerbe sind schon eine feine Sache. Immer höher, schneller, weiter, genauer – und am Ende mögen die Besten gewinnen. Solch ein Kräftemessen erfolgt meist nach fest vereinbarten Regeln, was durchaus sinnvoll ist, will man Streit oder noch Schlimmeres vermeiden. Nehmen wir zum Beispiel das Bogenschießen. Hier gilt die eiserne Vorschrift, dass die Schützen stets nebeneinander zu stehen haben; alles andere wäre fatal, wie wir von den gefürchteten englischen Langbögen des Mittelalters wissen. Ihre Durchschlagskraft war so enorm wie die von modernen Gewehrkugeln. Weshalb Archäologen noch heute gelegentlich zertrümmerte Schädel armer Krieger ausgraben, die einst am Kopf getroffen worden waren. Daher die oberste Regel beim Bogensport: Immer nebeneinander schießen, nie aufeinander!

Ein Spiel für Frauen

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel – Handball. Zugegeben, so verheerend wie beim englischen Langbogen ist die Wirkung eines Lederballes nicht. Aber wer schon mal von solch einem Geschoss voll ins Gesicht getroffen wurde, der weiß, dass der Unterschied so groß auch wieder nicht sein kann. Für einen Brummschädel reicht es allemal, und der Getroffene wünscht sich nichts sehnlicher, als einen Helm oder eine Gesichtsmaske getragen zu haben. Doch diesbezüglich zeigt sich das Regelwerk des Deutschen Handballbundes leider unerbittlich: "Im Spiel sind grundsätzlich weder Gesichts- noch Teilmasken erlaubt."

Tja, sehr schade, mag sich manch gepeinigter Torwart denken. Aber Regeln bleiben halt Regeln, und solche gibt es im Handball immerhin schon seit dem 29. Oktober 1917 – weshalb das Datum auch als offizieller Geburtstag der Sportart gilt.

An jenem Montag mitten im Ersten Weltkrieg hat der mit Weste, Hemd und schwarzer Fliege stets gut gekleidete Oberturnwart Max Heiser aus Berlin die Regularien für das von ihm zwei Jahre zuvor erfundene Spiel festgelegt. "Torball" hatte er den Sport ursprünglich genannt, den er 1915 in einer Exerzierhalle für seine jungen Turnerinnen erfunden hatte. Es sollte eine reine Frauensportart werden, damit auch die Mädchen sich mal richtig austoben konnten.

Das allerdings wesentlich weniger körperbetont als die männlichen Rüpel, die sich beim Fußballspiel gegenseitig an die Knochen gingen. Oberturnwart Heiser erfand also 1917 das Regelwerk für einen recht soften Sport, und dazu gleich noch einen neuen Namen: Handball.

Härter, schmerzvoller, attraktiver

Wer das Spiel heute kennt, mag es kaum glauben, aber Körperkontakt war damals wirklich streng verboten. Lang hielt dieser Frieden allerdings nicht. Bereits 1919 entdeckte nämlich ein anderer Berliner Turnlehrer namens Carl Schelenz das Spiel für Buben und Männer. Um es attraktiver zu machen, erlaubte er Zweikämpfe. Der Ball wurde kleiner, die Würfe härter, die Schmerzen größer. Nur die Masken, die blieben verboten, bis heute. Aber immerhin dürfen leidgeplagte Torhüter wenigstens ihre empfindlichste Körperstelle abschirmen: Tiefschutz ist erlaubt. Dem weisen Regelwerk sei´s auf ewig gedankt!


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