Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. August 1909 Alice Ramsey durchquert als erste Frau die USA mit dem Auto

Die Leitfigur für die neue Generation emanzipierter Autofahrerinnen: Alice Ramsey, die 1909 als erste Frau mit dem Automobil die vereinigten Staaten durchquerte. Sie beherrschte ihr Fahrzeug auch auf schwierigem Gelände und sorgte für staunend offenstehende Münder bei den "Herren der Schöpfung". Autorin: Justina Schreiber

Stand: 07.08.2023 | Archiv

07 August

Montag, 07. August 2023

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Frank Halbach

Vier Mädels mit dem Auto quer durch die USA unterwegs, von der Ost- bis zur Westküste ... wie cool war das denn?! Die Story ging schnell viral, die Presse berichtete. Stundenlang harrten die Menschen an Straßenrändern aus, um das mutige Quartett winkend und lachend vorüberbrausen zu sehen. Manche Männer ritten der Sensation sogar hinterher. Krass, eine Frau am Steuer! Und sie machte ihre Sache richtig gut. Nun, die 22-jährige Alice Ramsey, eine junge Mutter übrigens, leitete schließlich den New Yorker Frauen-Motor-Club. Auf dem Cleveland Highway, einer der wenigen bereits befestigten Wegstrecken, erreichte sie mit ihrem dunkelgrünen, 30 PS starken Maxwell DA, Baujahr 1909, die furchteinflößende Geschwindigkeit von 42 Meilen pro Stunde, also etwa 67 km/h. Gut, dass die flotte Fahrerin und ihre drei Begleiterinnen die Hüte festgebunden hatten und Schutzbrillen trugen.

Vorsicht, Kiefersperre!

Sahen sie vielleicht wie Aliens aus? In Chicago soll ein Telegraphenboy angesichts des ungewohnten Anblickes den Mund nicht mehr zu gekriegt haben. Aber keine Sorge! Während der zweimonatigen, 6.000 Kilometer langen Tour mutierten die vier Ladies keineswegs zu Mannweibern oder Schlimmerem, obwohl sie körperlich durchaus gefordert waren. Allein schon wegen der verschlammten, noch nicht ausgebauten Wege hieß es immer wieder: Auto freischaufeln, Ketten anlegen, die von den Ketten ruinierten Reifen wechseln und so weiter. Dazu das nächtliche Camping, denn Motels waren ja noch nicht erfunden. Doch wo ist das Problem? Als die Gefährtinnen am 07. August 1909 ihr Endziel San Francisco erreichten, meldete die örtliche Zeitung galant: "Hübsche Autofahrerinnen kommen nach einer Reise durch den Kontinent an".
Alice Ramsey‘s Ehemann konnte aufatmen. Er hatte dem Trip seiner Gattin eh nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die drei Anstandsdamen mit von der Partie wären.

Die Logik patriarchalen Denkens

Wobei er kein Veto eingelegt hatte, als seine Frau im Jahr zuvor beim heimischen Autohändler Fahrstunden nahm. Aber wer sagt denn, dass patriarchales Denken logischen Prinzipien folgt? Wie auch immer: Der erste weibliche Cross-Country-Trip war ein voller Erfolg. Alles lief wie am Schnürchen, behauptete zumindest die Maxwell-Briscoe Company, die die Reise finanzierte und in doppelter Hinsicht begleitete. Zum einen werbetechnisch, um den neuen Maxwell DA zu promoten, nach dem Motto: "The car for a lady to drive", diese vierzylindrige Kiste können sogar Frauen fahren. Zum anderen ganz real mit Begleitfahrzeugen, die Alice Ramsey in unübersichtlichen Gegenden den Weg wiesen. Die begabte Autofahrerin und ihre Begleiterinnen machten kein Aufheben daraus, dass der gepriesene Maxwell DA keine Tankanzeige hatte, obwohl es echt nervig war. Noch dazu mussten die Frauen erst das Gepäck ausräumen, bevor sie Benzin nachfüllen konnten. Na ja, geschenkt. Denn Alice Ramsey, ihre Freundin Hermine Jahns und ihre Schwägerinnen Margaret Atwood und Nettie Powell genossen ihr Abenteuer und die Freiheit total. Dazu diese Landschaften! Und die staunenden Blicke der Passanten! Wisst ihr noch, der Telegraphenjunge mit der heruntergefallenen Kinnlade?!


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