Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. Februar 1935 Nylon entdeckt

Mit praktischen Dingen hatte es der Chemiker Wallace Hume Carothers eigentlich gar nicht. Doch ausgerechnet er entdeckt am 28. Februar 1935 eine Kunstfaser, die der Seide Konkurrenz macht. Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 28.02.2017 | Archiv

28 Februar

Dienstag, 28. Februar 2017

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Heutzutage ist Reich- und Berühmtwerden recht einfach. Ratgeberbücher erklären haarklein, wie Briefwünsche gewinnbringend ans Universum geschickt werden. Quizshows verteilen Millionen - sogar an solche, die nichts wissen. Es genügt die Telefonnummer von einem zu kennen, der sich wiederum auskennt. Auch Entdecken lassen lässt es sich simpel: Als Talent, Topmodel, Superstar - irgendwas kann immer jeder, und irgendwer in Jury oder Publikum erwärmt sich schon dafür.

Ein ganz und gar unpraktischer Erfinder

Früher war das anders. Da wurde allerlei studiert mit heißem Bemühen. Steter Tropfen höhlte den Stein, weil Meister nicht vom Himmel fielen. Ohne Fleiß, kein Preis. Und oft genug auch mit Fleiß wenig Wohlstand, nur ansatzweise Anerkennung. Es sei denn, der Zufall griff ein. Schließlich ist das Glück mit dem Tüchtigen.

Zum Beispiel mit dem US-Amerikaner Wallace Hume Carothers aus Iowa. Als Ältestes von vier Kindern schickt ihn sein Vater - ein Lehrer - auf die Universität in Illinois. Naturwissenschaften sind etwas Handfestes. Der Sohn wird Chemiker. Allerdings einer von der gelehrsamen Sorte, der lieber an Formeln herumtüftelt, experimentiert, Grundlagen ergründet. Praktische Anwendungen für das, was er da herausfindet, interessieren den jungen Mann im verknitterten Anzug mit dem nachlässigen Seitenscheitel und der lustigen runden Brille nicht. Entsprechend nimmt Wallace seinen ersten echten Job beim Chemiekonzern Du Pont auch eher unmotiviert an: Kunststoffe für den Alltagsgebrauch entwickeln!

Das Spezialgebiet von Du Pont ist die Polymerisation, also die Reaktion kleiner Moleküle zu Kunststoffen. Carothers langweilt die Frage: Was kann man aus Plastik Nützliches für den Haushalt herstellen? In jeder freien Minute macht der Vollblutchemiker folglich das, was er bevorzugt tut: Er erkundet Naturgesetze und bastelt an Wirkungswegen - generell und überhaupt und nicht unbedingt allgemein haushaltszuträglich.

Beim Studieren mit heißem Bemühen ist das Glück schließlich mit dem Tüchtigen. Per Zufall entdeckt Carothers am 28. Februar 1935 ein Polymer, das sich in lange, geschmeidige Fäden ziehen lässt. Keine Kunstfaser war bisher so hitzebeständig, ließ sich so leicht formen und färben. Zwei Jahre später meldet Du Pont Nylon zum Patent an.

Eine sehr praktische Erfindung

An die Adresse der Japaner, bis dahin führend im Seidengeschäft, soll Carothers den Ausruf gerichtet haben: "Now, you lousy old nipponese". Die Anfangsbuchstaben des Satzes ergeben den Begriff Nylon. Die Auftragsbücher belegen: Der rührige Forscher hat tatsächlich eine sehr nützliche Kunstseide entdeckt. Während des Zweiten Weltkriegs fertigt man Fallschirme, Tarnanzüge, Tarnnetze aus Nylon. Im Frieden Strumpfhosen, Zahnbürstenborsten, Teppichböden, Seile, Garne, Angelschnüre, Fischernetze. Später Airbags, Sicherheitsgurte, Trainingsanzüge und Turnschuhe.

Wo Festigkeit, lange Lebensdauer und leichte Bearbeitung gefragt sind, ist Nylon die Antwort. Gefunden hat die Wallace Hume Carothers wie gesagt auf die alte Art: Viel Fleiß und ein Hauch Zufall. Aber er wollte ja auch nicht von jetzt auf gleich Talent, Topmodell oder Superstar werden. Ob er Erfolgswunschbriefe ans Universum schrieb, ist nicht bekannt.


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