Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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27. November 1810 Chaos beim 'Berners Street Hoax'

Klingelscherz, Pupskissen, ... Kinderkram? Nicht doch. Ganz selten bleibt die Lust zum Unfug machen auch im Erwachsenenalter erhalten. So wie bei Theodore Hook, dem am 27.11.1810 der Streich seines Lebens gelang.

Stand: 27.11.2014 | Archiv

27.11.1810: Chaos beim ‘Berners Street Hoax‘

27 November

Donnerstag, 27. November 2014

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Beim Spazierengehen kommen einem oft die besten Ideen. Im November des Jahres 1810, beim Spazierengehen mit einem Freund in den Straßen von London, kam dem jungen Journalisten Theodore Hook die Idee seines Lebens. Sie hatten über die Größe der Stadt gesprochen und die vielen Menschen, die unentwegt irgendwohin unterwegs waren, und dass sie nur die wenigsten davon kannten,
das Leben in der Stadt: anonym, ganz anders als auf dem Land. Sie waren an den vielen Häusern vorbeigegangen, in denen Leute wohnten, die sie auch nicht kannten, Wohlhabende mit einem unauffälligen Leben unter ihresgleichen, abgeschottet vom niedrigen Volk.

Wetten? Abgemacht!

Man kann, sagte Hook, in der Großstadt in einem prächtigen Haus wie diesem hier wohnen, ohne dass irgend jemand davon erfährt. Wohl wahr, sagte der Freund. Ich könnte aber machen, sagte Hook, dass ein Haus wie dieses hier,
Berners Street 54, dass binnen kurzem jeder in London von diesem Haus weiß und dass, wer immer drin wohnt, tagelang Stadtgespräch ist. Nie im Leben,
sagte der Freund. Es wäre gar nicht schwer, sagte Hook, wollen wir wetten?
Der Freund schlug ein.

Tags darauf machte sich Hook an die Arbeit. Er schrieb Briefe. Hunderte von Briefen. Und er ließ Anzeigen in Zeitungen setzen. Dutzende von Anzeigen.
Dann wartete er ab, was geschah.

Am 27. November frühmorgens klingelte an der Hintertür des Hauses Berners Street 54 bei der reichen Witwe Tottenham ein Kaminkehrer. Er sei bestellt,
sagte er. Das Dienstmädchen wusste davon nichts. Während es noch mit dem Kaminkehrer redete, kam ein weiterer Kaminkehrer, auch er bestellt.
Und noch einer. Zwölf insgesamt. Und während hinten verwirrte Bedienstete mit nicht bestellten Kaminkehrern debattierten, kamen vorne eine Menge Pferdefuhrwerke angefahren, mit Kohlelieferungen für Mrs Tottenham,
Berners Street Nummer 54.

Danach trafen Fischhändler ein, vierzig an der Zahl. Konditoren brachten Hochzeitstorten, Bestatter wollten Maß nehmen für Särge, kräftige Männer kamen, um Dutzende von Klavieren abzuladen, Zahnärzte schauten vorbei, Grundstücksmakler und Perückenmacher boten ihre Dienste an, Metzger und Kerzenzieher lieferten Ware ab. Schreiner schleppten maßgefertigte Tische und Schränke an, Bettwäsche und Schmuck wurden herangeschafft,
Pferdedroschken fuhren für bestellte Fahrten vor.

Mittlerweile war der Trubel den Passanten aufgefallen. In Scharen standen sie vor dem Haus und schauten zu. Wer ebenfalls vorbeischaute, war der Oberbürgermeister von London, auch er war zur Witwe Tottenham bestellt worden. Als er sah, was los war, verständigte er die Polizei. Die bemühte sich, den Verkehr zur Berners Street zu sperren, was aber nicht gelang. Denn gegen 17 Uhr trafen Hunderte von Arbeitssuchenden ein: Vorstellungsgespräch bei Mrs Tottenham. Erst als der Abend kam, löste sich die Menschenmenge langsam auf.

Gemein aber gut

Von diesem Tag sprach die Stadt noch lange. Die Idee war simpel, die Art des Scherzes nicht neu, neu war die enorme Größe des Unternehmens. Die arme
Mrs Tottenham wurde bedauert, der Streich selbst mit Hochachtung bedacht.
Die Londoner Zeitungen schrieben noch wochenlang davon. Die Polizei setzte eine Belohnung auf die Enttarnung des unbekannten Scherzbolds aus, aber: vergebens.

Erst 25 Jahre später hat Theodore Hook es gewagt, sich als Urheber des Streichs zu outen. Da aber war er schon Herausgeber einer großen satirischen Zeitschrift, und die Polizei hat ihn in Ruhe gelassen. Bis heute gilt sein "Streich in der Berners Street" als besonders gut gelungenes Exempel englischen Humors.


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