Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. August 2006 Pluto darf kein Planet mehr sein

Ordnung muss sein. Am 24. August 2006 beschloss die Internationale Astronomische Union, dass der Pluto wissenschaftlich nicht mehr als Planet angesprochen werden darf. Er gilt jetzt als "Zwergplanet", eine Bezeichnung, die die IAU eigens für ihn kreierte.

Stand: 24.08.2011 | Archiv

24 August

Mittwoch, 24. August 2011

Autor(in): Florian Hildebrand

Sprecher(in): Florian Hildebrand

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Ordnung. Nicht Zucht, aber Ordnung. Wenn wir in den Kosmos hinaussehen, erkennen wir ein Gewusel blinkender Sterne, mehr als wir uns vorstellen können. Wenn das im weitesten Sinne unsere Heimat sein soll, dann muss da Ordnung hinein. Mit dem Chaos könnten wir uns nicht anfreunden. Unsere geistige Konditionierung wünscht sich das so. Viele Mythen vom Ursprung der Welt reden davon, dass aus Chaos Ordnung geworden ist. Dabei war natürlich immer ein höheres Wesen im Spiel, dem die Alten den Urgrund der kosmischen Ordnung zuschrieben. Wie müssen sie die Welt als mühvoll chaotisch empfunden haben, dass sie Ordnung zum göttlichen Prinzip erhoben.

In diesem Sinne dachten die europäischen Köpfe bis ins 17. Jahrhundert hinein antik, was ihr Weltbild anging. Die Gestirne zogen im ewigen Gleichmaß über den Himmel. Jahr für Jahr, Jahreszeit für Jahreszeit, Monat für Monat liefen sie auf ihren ebenmäßigen Kreisbahnen. Nur die Götter konnten diese Harmonie der Gestirnswanderungen entworfen haben.

Die ersten Astronomen, die die Planetenbahnen berechneten, brachten es nicht fertig, über dieses göttliche Gesetz hinweg zu denken. Erst Johannes Kepler wagte den Sprung ins Undenkbare und kam darauf, dass die Planeten auf unruhigen Ellipsen um die Sonne ziehen. Wunderbar geordnete Bahnen sind das nicht mehr.

Als Galileo Galilei das gerade neu erfundene Fernrohr gegen den Himmel richtete, da tat sich ihm ein ganz neuer Kosmos auf. Nach und nach entdeckte er im Sonnensystem eine Unzahl der verschiedensten Himmelskörper, Monde, Asteroiden, Meteore und Kometen. Nachfolger Galileis erkannten mit schärferen Teleskopen, dass im Sonnensystem sogar kleine und kleinste Teilchen herumschwirren. Das schrie nach Ordnung machen. Da die Götter ihr Privileg, Ordnung zu halten im Kosmos, offensichtlich abgegeben hatten, machten sich die Astronomen daran, es selbst zu tun.

Wie immer interessant sind die Grenzbereiche: Wer gehört gerade noch in diese Kategorie, wer schon in die nächste? Und so musste kommen, was die 26. Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union am 24. August 2006 beschloss: Pluto darf wissenschaftlich nicht mehr als Planet angesprochen werden. Er hat nicht Ordnung gehalten, wird ihm vorgehalten, und den kosmischen Kleinkram auf seiner Bahn mit seiner Schwerkraft nicht abgesaugt und inhaliert. Ein fauler Schmutzfink also? Das Argument ist angreifbar, denn auch bei Erde und Jupiter zum Beispiel fliegt noch einiges auf dem Sunset Boulevard herum.

Egal, jetzt ist Pluto "Zwergplanet", ein Etikett, das eigens für ihn entworfen wurde. Man könnte ihn genauso gut als großen Asteroiden bezeichnen. Was ihm aber keiner nimmt, ist seine Rolle als Grenzstein im Sonnensystem. Jenseits von ihm geht es hinaus in den Kosmos, den dunklen, den unendlichen. Da mögen Sonden hinausfliegen wie seit Jahrzehnten Voyager, aber der Mensch wird immer ans Haus seines Sonnensystems gefesselt bleiben, denn die nächste Planetentruppe ist einfach zu weit weg. Pluto, Planet oder nicht, das sollen die Astronomen mit ihrem ordentlichen Ordnungssinn unter sich ausmachen, aber dass er der Grenzstein menschlicher Expeditionslust ist und bleibt, daran gibt es nichts zu rütteln.


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