Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. Februar 1895 John Sholto Douglas verleumdet Oscar Wilde

John Sholto Douglas, der Vater von Oscar Wildes Geliebtem Bosie, outet Wilde als Homosexuellen. Wilde wehrt sich und verklagt Douglas. Doch aus dem Kläger wird schnell der Beklagte. Wegen Unzucht wird Oscar Wilde zu zwei Jahren Haft mit Zwangsarbeit verurteilt.

Stand: 18.02.2015 | Archiv

18 Februar

Mittwoch, 18. Februar 2015

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

"Lieber Bosie, in den zwei Jahren meiner Gefangenschaft habe ich keine einzige Zeile von Dir erhalten!" Oscar Wilde ist untröstlich. Jetzt, in den letzten Monaten seiner Haft, schreibt er dem Geliebten - und sich endlich alles von der Seele: Er macht ihm Vorhaltungen. Rechnet mit ihm ab. Mit Lord Alfred Douglas, genannt Bosie - einem verzogenen, adeligen Bengel. In dem Brief geht es um Verrat und Lüge, Geldgier und Untreue. Wilde hat einen sagenhaften Absturz erlebt - vom Liebling der Londoner Society zum Sträfling, der wegen Homosexualität hinter Gittern sitzt. Der Text ist lang. Er füllt heute ein Buch von mehr als hundert Seiten. Am Ende verzeiht der Gefangene dem Mann, - dessen Lippen röter sind als alles auf der Welt - "Dein Dich liebender Freund Oscar Wilde".

Obsessive Liebe

Als der Schriftsteller dem ruinösen Sprössling zum ersten Mal begegnet, ist er bereits auf dem Höhepunkt seines Ruhms. "Das Bildnis des Dorian Gray" ist vollendet - maßlos, grausam und voller verzehrender Leidenschaft. Bosie kennt den Roman. Er ist Anfang 20. Seine milchblasse Haut und ein betörender Schlafzimmerblick haben ihn zu einer der begehrtesten Erscheinungen Londons gemacht. Wilde ist Ende 30. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder - ein modebewusster Dandy vom Manschettenknopf bis zur Blume im Knopfloch. Und er ist auf den ersten Blick außer sich vor Leidenschaft: Wilde schenkt dem feingliedrigen, jungen Mann spontan eine signierte Ausgabe des "Dorian Gray". Nur wenige Monate später sind beide ein Paar.

Es wird eine leidenschaftliche Liebe. Obsessiv und nervenzerrüttend. Bosie entpuppt sich als launisches Luxusgeschöpf. Seine "zarten Rosenblattlippen" - jähzornig und fordernd. Und ständig geht es ums Geld. Der hübsche Lord ist anspruchsvoll. Und tut ansonsten wenig. Bosie, "die honigblonde Goldseele", liegt "wie eine Hyazinthe auf dem Sofa - und ich bete ihn an", schreibt Oscar Wilde. "Bosie ist dabei, mein Leben vollständig zu ruinieren."

Sturz ins Bodenlose

Genau so kommt es: Bosies Vater, John Sholto Douglas, ist neunter Marquess of Queensberry und entschlossen, die Eskapaden seines Sohnes nicht länger zu tolerieren. Am 18. Februar 1895 hinterlässt der Marquess im Lieblingsclub des Literaten eine öffentliche Notiz: Oscar Wilde sei ein praktizierender Homosexueller! Wilde reagiert postwendend. Mit einer Beleidigungsklage. Aber er verliert den Prozess. Und nicht nur das: Der Kläger wird zum Beklagten. Es kommt zu zwei Strafprozessen - der Vorwurf: Unzucht! - Oscar Wilde muss ins Kreuzverhör. Sogar Passagen aus dem "Dorian Gray" werden zitiert und gegen ihn ausgelegt. Dann: zwei Jahre Haft mit Zwangsarbeit. Der Mann, der befand, dass Männer nur Samt tragen sollten, wechselt seine matt schimmernden Maßanzüge gegen grobe Sträflingskleidung. Es ist ein Sturz ins Bodenlose.

Nach seiner Freilassung kehrt Oscar Wilde zurück - zurück zu Bosie. Zumindest zeitweise. Dann trennt sich das Paar. Bosie erbt das Vermögen seines Vaters. Wilde ist mittellos. Mit 46 Jahren stirbt er in Paris - verarmt, gebrandmarkt und heruntergekommen. Nur an seiner Liebe zu Bosie ist nicht zu rütteln. Bis zuletzt: "Die bloße Tatsache, dass er mein Leben ruiniert hat, lässt mich ihn lieben."


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