Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. Juni 1909 Erster SOS-Notruf

Schade, Morsen ist aus der Mode. Früher konnten Passagiere auf Schiffen noch Botschaften nach Hause morsen. Aufregender als SMS schreiben. Ein Kürzel war allerdings verboten: SOS. Der Notruf kam zum ersten Mal am 10. Juni 1909.

Stand: 10.06.2014 | Archiv

10 Juni

Dienstag, 10. Juni 2014

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

 (-.-/.-/.-.././-./-.././.-./-.../.-../.-/-/-//) lang-kurz-lang, kurz-lang, kurz lang kurz kurz, kurz, lang kurz, lang kurz kurz, kurz, kurz lang kurz, lang kurz kurz kurz kurz ...
So klingen die ersten Buchstaben des Wortes "Kalenderblatt" im Morsecode.

Dieses Kalenderblatt handelt von einer Zeit, als Morsen die einzige Form war, in der man Daten auf drahtlosem Weg übertragen konnte. Funk - das war um das Jahr 1900 etwas unerhört Neues. Die drahtlose Datenübermittlung war vor allem für die Seefahrt von Bedeutung. Denn sie machte es möglich, über die direkte Sicht- und Hörweite hinaus auf hoher See zu kommunizieren. Das freute die Reeder. Von nun an konnte die Besatzung eines Frachters die Ankunftszeit der Waren durchgeben, sobald sie absehbar war. Auf Passagierschiffen bot man den Fahrgästen an, Nachrichten von Bord an ihre Familien zu schicken. Doch wichtiger noch: Ein Schiff in Seenot konnte per Funk andere Schiffe zu Hilfe rufen.

In Seenot? Leider falsch verbunden

Oder sagen wir: hätte gekonnt, theoretisch. Wäre da nicht Hindernis gewesen, das mit der Technik an sich nichts zu tun hatte. Funkgeräte wurden damals von zwei Herstellern vertrieben: die italienische Firma "Marconi" konkurrierte mit der deutschen "Telefunken". Die Seeleute an den Apparaten hatten Weisung, keine Funksignale der jeweils anderen Firma entgegenzunehmen. Dabei mag auch das eine oder andere Notsignal untergegangen sein - und mit ihm das firmenfremd ausgerüstete Schiff. Die Signale waren außerdem unterschiedlich codiert: Marconis Notruf bestand aus den Morse-Buchstaben "CQD". Die deutsche Marine benutzte ab 1905 ein anderes Zeichen, das kurze Zeit später für die Geschichte der Seefahrt große Bedeutung gewinnen sollte.

Es war kein Buchstabenkürzel, auch wenn es heute als solches bekannt ist.
Es war vielmehr ein neuer Buchstabe, länger als alle anderen Morsezeichen, damit man ihn sofort heraushören konnte; bestehend aus neun Elementen:

(… --- …) dit dit dit, dah dah dah, dit dit dit

Dieser große Zeichenbrocken sollte, in einen Text hineingefunkt, den Empfänger aufhorchen lassen. Weil es in unserem Alphabet für die gesprochene Sprache keinen solchen Buchstaben gibt, behalf man sich mit einem Buchstabenkürzel aus "S" dreimal kurz, "O" dreimal lang "S" wieder dreimal kurz.. S.O.S. in dieser Form ist es heute aus vielen dramatischen Seenotgeschichten bekannt. Später wurde mitunter noch ein Inhalt hineingedichtet: "Save Our Souls" sagten manche, "Rettet unsere Seelen", andere lasen darin "Send Out Succour", "Schickt uns Hilfe". 1906 wurde der Code auf der Funkkonferenz im Berlin zum international gültigen Notruf bestimmt.

SOS! Zu nah an die Küste!

Erstmals gefunkt wurde SOS am 10. Juni 1909 vom Passagierdampfer
"RMS Slavonia", der vor den Azoren auf Grund gelaufen war, weil die Passagiere eine Insel aus der Nähe betrachten wollten. Andere Schiffe empfingen den Ruf und eilten zu Hilfe. Alle Menschen wurden gerettet. Anders als gut 100 Jahre später in einer ähnlichen Situation, als die "Costa Concordia" am Strand der Insel Giglio leckschlug. SOS wurde im Jahr 2012 nicht mehr gesendet, der Satellitenfunk hat die alten Seenotzeichen längst abgelöst. Kürzungsmöglichkeit: Doch auch die moderne Technik konnte die Opfer nicht retten. Es kommt eben doch immer noch sehr stark darauf an, kluges und wachsames Personal an Bord zu haben. Das ist heute nicht anders als damals.


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