9. Oktober 1986 Das Phantom der Oper hat Premiere
Was braucht man für das erfolgreichste Musical aller Zeiten? Eine Gruselstory um ein Phantom? Echte Hits? Oder einfach nur Andrew Lloyd Webber? Autor: Markus Vanhoefer
09. Oktober
Freitag, 09. Oktober 2015
Autor(in): Markus Vanhoefer
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
"Musical" kann auch "Big Business" sein. 130 Millionen Besucher in 27 Ländern, 40 Millionen verkaufte Tonträger, darunter auch Einspielungen in Sprachen wie Koreanisch oder Schwedisch, das ist eine Messlatte, die in Zukunft so schnell nicht übertroffen werden dürfte. Die Zahlen sind eine eindeutige Aussage: "Das Phantom in der Oper" ist das mit Abstand erfolgreichste Musical aller Zeiten.
"Komm sing mit mir heut‘ Nacht, o Pfund-Schein…"
Darf ein Komponist sein Werk unter ökonomischen Vorzeichen ins Rampenlicht stellen? Was in Deutschland, dem Paradies einer subventionierten Hochkultur, als anrüchig gilt, wird im Land von Shakespeare pragmatisch wahrgenommen. Aus einfachem Grund: Geld regiert die Welt. So spülen die Theater des Londoner West-End alljährlich eine dreistellige Millionensumme an Mehrwertsteuer in die britische Staatskasse.
Die Illusion der Bühne ist in England nicht nur Unterhaltung, sie ist ein Wirtschaftszweig. Von "Kreativ-Industrie" spricht in diesem Zusammenhang der Künstler, der das Wechsel-Spiel der Bank- und Musik-Noten so virtuos beherrscht wie kein anderer. Es ist der Musical- Komponist, dem wir das "Phantom in der Oper" zu verdanken haben: Andrew Llyod Webber.
Die Musik des Kalküls
Am 9. Oktober 1986 feiert das "Phantom in der Oper" in London seine glanzvolle Premiere. Der Ort der Uraufführung ist wohl gewählt: "Her Majesty‘s Theatre", ein traditionsreiches Haus, an dem zu Barock-Zeiten Händel seine Räuber-Oper "Rinaldo" auf die Bühne brachte und Wagners germanischer Ring zum ersten Mal England in Erstaunen versetzte. Welches Ambiente könnte besser geeignet sein, um Gaston Leroux‘ "Phantom" zum Leben zu erwecken, einen Grusel-Roman, in dem ein unheimlicher Maskierter durch die Katakomben der Pariser Garnier-Oper spukt, qualvoll getrieben von seiner Liebe zum Ballettmädchen Christine?
Der Erfolg des "Phantoms" ist kein Zufall. Er war bis ins Detail kalkuliert, denn hinter dem Siegeszug des Stücks steht ein Mann mit vielen Talenten. Da ist auf der einen Seite Andrew Llyod Webber, der Hit- Komponist, der bereits zuvor mit Musical-Bestsellern wie "Cats" oder "Evita" den Massengeschmack genau getroffen hatte, und auf der anderen: Andrew Llyod Webber, der strategisch denkende Unternehmer und finanzkräftige Inhaber eines Theaterimperiums.
"Really Useful Group", lautet der Name des Konzerns, den der Sohn eines Musiker-Ehepaars bereits 1977 gegründet hatte: Ziel des Firmen- Geflechts, in dessen Besitz auch einige der altehrwürdigsten Londoner Theater sind, ist die absolute Kontrolle über die Werke des Musical-Meisters, angefangen von deren künstlerischer Qualität, über Marketing und Merchandising bis hin zur Rechte-Verwertung. Ein Komponist als betriebswirtschaftliches Markenprodukt. - gerade auch deshalb ist 1986, das Jahr des Phantom-Erfolgs, für Andrew Llyod Webber ein wichtiges Jahr: 1986 geht seine "Really Useful Group" an die Börse.