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Hintergrund Gesunde Beine

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Richtiges Gehen und Stehen Ratschläge vom Orthopäden

Wann sind bei Schmerzen im Rücken und in den Füßen Einlagen sinnvoll? Wann hilft eine Operation? Tipps vom Orthopäden.

Von: Katharina Hübel

Stand: 22.08.2019

Eine Familie geht auf einen Barfußweg im Gebirge. | Bild: picture-alliance.com

Manche Patienten haben das Gefühl, "kreuzlahm" zu sein: Sie haben das Gefühl, im Rücken zu zerbrechen, und können nur kurze Zeit stehen und haben dabei erhebliche Schmerzen in der Wirbelsäule, wenn sie mehr als eine Viertelstunde stehen müssen. Dann ist meist das Becken verkippt, die Muskulatur am Rücken verkürzt – sie stehen im Hohlkreuz.

"Wer ein Hohlkreuz hat, hat eine Einengung in der Wirbelsäule, bei der die kleinen Wirbelgelenke unter Druck kommen. Das Wichtigste ist dafür eine Aufdehnung der Muskulatur, aber auch eine effektive Krankengymnastik zur Muskelkräftigung. Die Wirbelsäule wird durch das muskuläre Rumpfkorsett gehalten."

Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

Keine Absatzschuhe

Wer sowieso schon Probleme im Rücken hat, sollte nicht noch zusätzlich Absätze tragen, rät der Orthopäde. Wer erhöhte Absätze trägt, bringt seine Knie in eine Beugung, infolgedessen wird auch kompensatorisch die Hüfte gebeugt, das Becken kippt wieder nach vorne. Das führt zum Hohlkreuz, belastet die Wirbelsäule und sorgt für den tiefen Kreuzschmerz.

Tipp bei Kreuzschmerzen: Flache Schuhe, weiche Sohlen.

Mögliche Ursachen für Verformungen an den Füßen

  • Übergewicht
  • Überbeanspruchung, z.B. durch übermäßigen Sport
  • Belastung in einer anfälligen Phase, wie in und unmittelbar nach der Pubertät, wenn die Kraft der Muskeln die schnellgewachsenen Knochen noch nicht ganz stabilisieren kann.
  • individuelle Veranlagung, z.B. zum Knickfuß, weil insgesamt Sehnen und Bänder sehr weich sind

Senk- und Spreizfuß

Die gängigsten Verformungen der Füße sind der Platt- und der Spreizfuß. Beim Plattfuß liegt die gesamte Sohle auf. Er ist weniger belastbar als ein Fuß mit Längswölbung. Beim Senkfuß ist das Längsgewölbe deutlich abgesenkt. Beim Spreizfuß ist das vordere Fußgewölbe durchgetreten, einzelne Mittelfußknochen kommen in Bodenkontakt; stechende Schmerzen sind die Folge, wie wenn man in einen Nagel tritt.

Tipp: Einlagen betten die Füße weicher und geben ihnen Halt.

Wenn die Fußsohle dünner wird

Ein besonderes Problem haben Menschen, die 70 Jahre und älter sind: Ihr natürliches Fußsohlenpolster wird immer dünner und sie haben überall dort Schmerzen, wo Knochen in Belastung kommen. Die Füße sind im Stehen und im Gehen nicht mehr belastbar;

Tipp: Turnschuhe oder andere Schuhe, die weich gepolstert sind.

Geduld mit Kindern

Wenn Kinder noch nicht laufen können, rät der Orthopäde, sie nicht in den Stand zu stellen und dann "laufen" zu lassen. Erst, wenn sie sich selbst hochziehen und hinstellen können, hält ihr Körper diese Belastung aus.

"Die Kinder richten sich von alleine auf, wenn sie muskulär kräftig genug sind. Die Kinder dazu bringen zu wollen, möglichst schnell zu laufen, und da einen Ehrgeiz zu haben, das ist völlig falsch. Dann kann es sein, dass die knorpelig-knöchernen Strukturen belastet werden, obwohl sie noch nicht ausgereift sind." Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

Kinder bekommen zu oft Einlagen

Nach Einschätzung des Orthopäden Prof. Dr. Joachim Grifka bekommen Kinder zu oft Einlagen verschrieben. Doch Kinder, so der Klinikleiter, bräuchten das gar nicht. Denn ihre Füße sind grundsätzlich noch anders geformt als die von Erwachsenen, sie haben ein dickeres Polster an der Fußsohle und weniger Wölbung. Für sie ist viel wichtiger, dass sich Füße und Zehen in den Schuhen gut bewegen können. Auch warnt Prof. Grifka vor allzu massiven Eingriffen wie "Torsionsabsätzen", die den Fuß aus der Innenstellung herausdrehen sollen.

"Die empfindlichste Phase für den Fuß ist nach der Pubertät. Wir haben den Fuß, der schlank und groß ist und die Sehnen und die Muskulatur sind relativ dünn und schwach. Wenn dann der Fuß zu stark belastet wird, kommt es zu einer Formveränderung durch Überlastung. Im späteren Alter ist das eher seltener."

Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

Tipp: Bei Kindern möglichst wenig eingreifen. Sie sich bewegen lassen und ihre Muskulatur am ganzen Körper trainieren lassen.

"Wir packen unsere Füße in Schuhe und trampeln auf ihnen herum. Viel zu oft ist die Bewegungsfreiheit der Zehen und der Füße in den Schuhen unnötig eingeschränkt. Dadurch geht dem Fuß auf Dauer Beweglichkeit verloren."

Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

Tipp: Schuhe auswählen, die passen, die die Fußform respektieren und nicht spitz nach vorne zulaufen. Schuhe auswählen, die verformbar sind: Schuh bei der Ferse nehmen und vorne festhalten, dann versuchen zu verdrehen. Macht er das nicht mit, ist er zu hart. Der Fuß sollte im Schuh aber auch nicht "schwimmen", sondern passgenau sein. Deswegen darauf achten, dass Schuhe nicht zu breit sind und die Ferse somit keinen Halt hat.

Die schiefe Großzehe

Gerade viele Frauen haben den so genannten "hallux valgus", die schiefe Großzehe. Eine Frage, die der Orthopäde Prof. Dr. Joachim Grifka oft hört ist, wann die Gefahr bestehe, dass die Großzehe die Kleinzehen verdrängt und es so zu Verkrüppelungen kommt. Seine Antwort:

"Wenn der Großzehennagel noch in der Flucht der anderen Nägel ist, also in einer Ebene, dann ist die Großzehe nicht verdreht und dann besteht auch nicht die Gefahr, dass die Schiefstellung plötzlich ganz rasant schlimmer wird und die kleinen Zehen dann so verkrüppeln. Verliert die Großzehe jedoch die Führung, so ist nicht mehr genügend Stabilität da und die Großzehe schiebt sich gegen die anderen kleinen Zehen. Da die Großzehe die stärkere Zehe ist, weichen die anderen aus und kommen in die Fehlform herein."

Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

Tipp: Dann zum Orthopäden gehen und sich über eine Operation beraten lassen, damit nicht der ganze Fuß deformiert wird.

Übertriebene Behandlungen

Einlagen sind bei bestimmten Verformungen des Fußes sinnvoll. Der Kassenpatient muss dabei immer zuzahlen. Allerdings sollte er darauf achten, wie viel er zuzahlen muss, rät der Orthopäde Prof. Dr. Joachim Grifka.

"Eine übertriebene Behandlung ist meiner Ansicht nach die neurophysiologische Einlage. Das sind Einlagen mit bestimmten Druckpunkten, die den Fuß massieren sollen. Sie sind übertrieben teuer und haben keine Wirknachweis. Jeder sollte skeptisch sein, wenn er besonders teure Einlagen bekommen soll."

Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach

Barfußschuhe

Barfußgehen ist eine gute Abwechslung für die Füße, vor allem, wenn sie auf der Wiese, dem Waldboden oder auf Sandstrand gehen dürfen. Asphalt ist für unsere Füße allerdings nicht gemacht. Daher rät der Orthopäde Prof. Dr. Joachim Grifka auch zu Vorsicht bei so genannten Barfußschuhen. Sie sind sehr bequem, weil sie die natürliche Fußform respektieren und den Zehen Bewegungsfreiheit geben. Sie haben aber eine sehr dünne Sohle – sie wollen ja ein Gefühl des Barfußgehens vermitteln. Auf Asphalt sind sie laut Prof. Dr. Grifka nicht zu empfehlen:

"Gerade, wenn wir harten Boden haben, helfen sie nicht. Das kann Fußschmerzen eher verschlimmern. Wer gesunde Füße hat und jünger ist, für den mag das funktionieren, für ältere Menschen sind Barfußschuhe nicht zu empfehlen."

Prof. Dr. Joachim Grifka, Direktor der Orthopädischen Klinik für die Universität Regensburg im Asklepios Klinikum Bad Abbach


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