Bayern 2

     

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Eyngeritten zum Gefecht Ritterbünde in Bayern

Ritter, das sind die Männer aus dem Mittelalter mit Tugenden wie Mäßigung, Freigiebigkeit und Tapferkeit. Die Faszination dafür ist nie ausgestorben. Aber auch die Ritter selbst nicht - es gibt sie tatsächlich immer noch. Vor allem in Bayern.

Author: Martin Trauner

Published at: 28-1-2022 | Archiv

Spurensuche in Nürnberg, an der Stadtmauer, an einem der vielen Türmchen. Hier, so sagt man, soll es tatsächlich noch echte Ritter geben. In der Nähe vom Spittlertor sticht an der unverputzten Backsteinwand ein Wappen ins Auge, oben schwarz, unten gelb, das über dem Eingang angebracht ist. Drinnen im Turm geht es eine Treppe hinauf ins sogenannte Burgfrauenstübchen. Klein, aber immerhin warm, dank eines elektrischen Kaminfeuers. Ottokar von Heydegg empfängt den Besucher in seiner Burg.

"Ich bin zum Beispiel privat der Otto Meyer. Ja. Und bin jetzt, als Ritter, der Ottokar von Heydegg ... Also momentan sind wir 15 Mitglieder. Und zwischen 10 und zwölf treffen wir uns immer. Und dann haben wir die entsprechende Ansprache: Alles Profane lassen wir vor dem Tor. Es gibt also kein 'Du', kein 'Ich', sondern 'Ihr' und 'Euch'. - Dürfen wir Euch den Humpen anbieten?"

Otto Meyer, alias Ottokar von Heydegg, Wallensteiner Ritterbund zue Norimberga, stv. Hochmeyster des Deutschen Ritterbunds

Sieht so also ein Ritter aus? Otto Meyer oder Ottokar von Heydegg schaut eigentlich ganz normal aus. Winterjacke statt Rüstung. Der moderne bayerische Ritter hat wohl wenige Gemeinsamkeiten mit den abenteuerlustigen Recken des Mittelalters. Aber eine Rüstung gibt’s schon: "Rüstung" bedeutet in der Sprache der Wallensteiner nicht einen Haufen Blech am Körper, sondern "ritterliche Kleidung". Und da sitzen sie dann in ihrem Festsaal, dem Wallensteiner-Saal und tragen weiße Rittermäntel und ein Barett.

"Unsere ritterliche Kleidung hat symbolischen Bezug. So haben wir das Schwert. Dieses Schwert für Treue und Gerechtigkeit. Das Barett als Zeichen des freien Mannes und der Rittermantel steht für die Nächstenliebe. Wenn wir in einem Kapitel sind, dann haben wir ein bestimmtes Ritual… Jeder Recke wird einmal gebeten, einen Vortrag zu halten. Und dann kann er einen Vortrag halten freien Themas, er kann über seinen Beruf sprechen, nur zwei Sachen sind bei uns auf der Burg verpönt: Das ist die Kirche. Und die Politik."

Otto Meyer, alias Ottokar von Heydegg

Die Ritter pflegen eine eigentümliche Sprache, die irgendwie uralt klingt. Die Monate heißen bei einem Ritterbund etwa Heumond oder Christmond. Die ritterliche Währung ist der Gulden und die ritterliche Nahrung die "Atzung". Trotzdem geht es bei diesen Treffen nicht um das Gaudium, den Humpen zu heben und sich einfach nur mittelalterlich zu kostümieren.

Feierliche Investitur in Augsburg

Neuzeitliche Ritterbünde gibt es schon erstaunlich lange. Der erste wurde in Österreich im Jahre 1790 ins Leben gerufen. Die "Wildensteiner Ritterschaft zur blauen Erd". Mitglieder waren da noch vor allem Adelige und Künstler. Auch in Bayern bildete sich bereits Anfang des 19. Jahrhunderts um den Herzog Max - übrigens der Vater der legendären Sisi - eine etwas elitäre Rittervereinigung. Einen wahren Gründungsboom von bürgerlichen Ritterbünden gab es dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1856 und 1857 wurden in Landshut die Schwemmritter und der Katzensteyner Ritterbund gegründet. Es gab damals zwei Vereinigungen, einmal den "Bund Deutscher Ritterschaften" und den allgemeinen deutschen Ritterorden. Und in der Jahrung 1920 wurden diese beiden Bünde zusammengelegt zum "Deutschen Ritterbund". Zwanzig davon gibt es heute noch. Die allermeisten in Bayern. Und alle eint: Rittertugenden ja. Aber keine Politik und keine Religion.

Doch es gibt auch heute noch Ritter, da geht ohne Religion, ohne Christentum rein gar nichts. Da ist Religion nicht tabu, sondern Pflicht. Zum Beispiel der "Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem". Der Orden der Grabesritter, wie er auch genannt wird, wurde 1868 von Papst Pius in Rom konstituiert und direkt den Päpsten unterstellt. Aber Vorläufer haben die Grabesritter bis ins Mittelalter. Seit der Kreuzzugszeit ließen sich junge Adlige bei den Franziskanern, den Wächtern der Grabeskirche in Jerusalem zu Rittern schlagen und durften danach das weißrote Jerusalemer Tatzenkreuz in ihr Wappen aufnehmen.

"Es sind zwei Dinge, für die diese Ritter vom Heiligen Grab stehen. Erstens: ein geistlicher Ritterorden. Wir wollen uns um Jesus, um die katholische Kirche, um die Vermittlung des Glaubens, aber auch um die Stärkung der eigenen Spiritualität kümmern. Und das Zweite: Jedes Mitglied des Ritterordens verpflichtet sich zu einer tätigen Unterstützung der Christen im Heiligen Land."

Weihbischof Anton Losinger Augsburg, Groß-Offizier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem

Mit den Spenden der Ritter werden palästinensische Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen finanziert. Und die Einrichtungen stehen natürlich nicht nur für Christen offen, sondern allen. Das Engagement beschränkt sich nicht nur auf Israel, sondern auf ganz Palästina. Auch in Jordanien, im Libanon und sogar in Gaza-Stadt gibt es Projekte. In Bayern hat der Orden heute in vielen Städten sogenannte Komtureien, modern würde man das als Verwaltungsbezirke bezeichnen. Etwa in Augsburg, Bamberg, München, Eichstätt, Passau, Regensburg und Würzburg. Man trifft sich einmal im Monat. Und das Besondere: Es ist kein reiner Männerbund, auch Frauen dürfen in den Orden eintreten. Sie heißen dann nicht Ritterinnen, sondern Damen. Aber warum, fragt man sich, muss man Ritter werden, um sich sozial zu engagieren?

"Viele Leute heute sagen auch, Ritter, das ist ja höchstens noch was als Thema alter Filme und einer mittelalterlichen Romantik. Aber es gab eine Zeit, wo diese Idee einer Ritterlichkeit auch für geistige Gemeinschaften stark wurde. Und deswegen hat man gerade auch bei der Gründung des Ritterordens vom Heiligen Grab an diese Idee der Tugend, der Tapferkeit angeknüpft und es verbunden mit dem starken Ziel der Christen: das Heilige Land."

Weihbischof Anton Losinger Augsburg, Groß-Offizier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem

Aber auch der freundschaftliche Zusammenhalt in der Gemeinschaft und die gemeinsame Feier der Messe ist den Grabesrittern wichtig, die sich gegenseitig mit "Confrater" (=Mitbruder) und "Consoror" (=Mitschwester) anreden. Man kann sich übrigens als Mitglied des Ritterordens vom Heiligen Grab nicht bewerben, man wird aus den Reihen des Ritterordens vorgeschlagen. Dass die Kandidatin, der Kandidat katholisch ist, und sich bereits in herausragender Weise um den katholischen Glauben verdient gemacht hat, versteht sich dabei von selbst. Nach etwa zwei Jahren der Prüfung zeigt sich, ob man geeignet ist, ob der Lebenswandel passt. Dann kann das "nihil obstat", also das "Nichts steht entgegen" aus Rom folgen und man wird in einer feierlichen Zeremonie, der "Investitur", zum Ritter beziehungsweise zur Dame und erhält Rittermantel und Ordensinsignien. Die männlichen Anwärter - Damen und Priester verzichten darauf - erhalten aus der Hand des Großpriors auch den Ritterschlag. Mit einem Schwert auf die Schulter.

Kardinal Marx beim Ritterschlag im Augsburger Dom

Auch bei den Wallensteinern vollzieht der Großmeyster das feierliche Ritual des Ritterschlags. Nicht in einer Kirche, nicht in einem Pontifikalamt, sondern im sogenannten "Remter" der Burg Wallenstein, im großen Saal an der Nürnberger Stadtmauer. Aber es geht auch hier irgendwie feierlich zu. Und der frischgeschlagene Ritter erhält seinen Ritternamen. Der muss einem ausgestorbenen Rittergeschlecht entstammen. Und auch bei den Wallensteinern ist es gar nicht so leicht, Ritter oder Recke zu werden. Es kann schon um die drei Jahre dauern, bis man vom Knappen zum Junker und schließlich zum Ritter wird.

Aber gleich, ob Ritter im Wallensteiner Ritterbund oder päpstlicher Grabes-, oder Malteserritter oder evangelischer Johanniterritter - Ritter und ihre Tugenden werden wohl nicht so schnell aussterben. Schließlich gehört die "staete", die Beständigkeit zu den grundlegenden Rittertugenden. Oder, wie es im Leitspruch des Ottokar von Heydegg heißt: "Anfangen ist gut, fortfahren ist besser, ausharren ist am besten."


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