Serie // "Pose" Diese Serie ist viel deeper als jedes Gender-Seminar

Madonna, Lady Gaga, Azealia Banks - alle haben sich an der Ballroom-Kultur bedient. Die war in den 80ern vor allem eine Subkultur von Transpersonen und Homosexuellen. "Pose" ist eine Zeitreise zu den legendären Ballroom Partys.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 05.02.2019 | Archiv

Szene aus der Serie "Pose": Transfrau Angel wird auf einem Ball applaudiert | Bild: Netflix

Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... ihr Bock auf die Musik und den Style der 80er habt wie in "Glow", ihr den Blick ins New Yorker Rotlichtmilieu von "The Deuce" spannend findet und Serien feiert, die sich realistisch und empathisch Transgendern widmet, wie "Transparent".

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Jeder von uns will etwas Besonderes sein. Sogar die introvertierteren Gemüter wollen doch zumindest, dass klar ist: Ich bin einzigartig. In den 80ern blühte in der Subkultur von US-Großstädten eine Gemeinschaft, die sich Orte schuf, in denen Selbstdarstellung aus Outfits, Charakter und Tanzen zur Sportart wurde - Ballrooms, eine einzige Spielwiese für Kreative.

Wie kreativ die Anhänger dieser Subkultur waren, zeigt uns das Schicksal einer der Hauptfiguren der Serie "Pose". Kaum kommt Damon von der Schule nach Hause, weiß er schon, was zu tun ist: Ab aufs Zimmer, Kassette aus dem Versteck unter dem Bett geholt, eingelegt, auf Play gedrückt, Donna Summers "On The Radio" beginnt. Damon tanzt dazu göttlich, elegant und wahnsinnig gut durch den Raum. Er ist ein klassischer Smalltown Boy in den USA der 80er-Jahre mit einem großen Traum: Tänzer werden. Und den lebt er heimlich in seinem Kinderzimmer.

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Pose (FX) Trailer HD - Evan Peters, Kate Mara series | Bild: TV Promos (via YouTube)

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Bis sein Vater plötzlich im Raum steht, offensichtlich minder begeistert und eher an einem Sohn nach dem Typus 'maskuliner Football-Dude' interessiert. Er bohrt bei Damon so lange nach, bis der zugibt, schwul zu sein. Dann verdrischt der Vater ihn und wirft ihn hochkant raus. Jetzt, wo er sich nicht mehr verstecken muss, setzt Damon alles auf eine Karte. Er geht in die große Stadt und tanzt in einem Park, gegen Kleingeld von Passanten. So versucht er sich über Wasser zu halten. Und dort trifft er auch auf Blanca, eine Transfrau, die ihr eigenes "Haus" gründen will.

"Ein Haus ist eine Familie, die du wählst. Ich bin eine Mutter und unterstütze meine Kinder und lass sie bei mir wohnen, wenn sie wollen. Wir nehmen an Bällen teil und ich würde sehr gerne ein Kind adoptieren, das so tanzen kann wie du."

- Blanca, bei ihrem ersten Aufeinandertreffen mit Damon

Damon ist verwirrt. Aber er schließt sich Blanca an und kommt so auf seine erste Ballroom Party - eine krasse Veranstaltung mit schönen Outfits, fantastischer Musik und einem Wettbewerb. Es wird ein Thema vorgegeben, die Teilnehmer absolvieren einen Catwalk und werden bewertet: Passt die Kleidung? Und die Bewegungen? Wird das Motto verkörpert? Es ist ein riesiges glitzerndes Spektakel.

"Pose" ist die schönste Regenbogenflagge aller Zeiten

Die Ballroom Partys sind allerdings nicht nur Spaß, sie sind ein Zufluchtsort. Denn jeder einzelne Mensch bei diesen Partys wird von der Mainstream-Gesellschaft nicht akzeptiert. Weil sie schwul sind, weil sie Transmenschen sind oder sonst irgendwie vermeintlich nicht dazu passen. Aber auch untereinander gibt es eine Hackordnung, die eine Freundin von Blanca zusammenfasst, als die beiden Transfrauen aus einer Bar fliegen - einer Schwulenbar.

"Alle wollen sich anderen immer irgendwie überlegen fühlen. Ja, und wir stehen ganz unten. Die Scheiße fließt bergab. Vorbei an Frauen, Schwarzen, Latinos und Schwulen - und wenn sie unten ankommt, landet sie auf unseresgleichen."

- Blancas Freundin Lulu

Wie viel hat sich an der Diskriminierung wirklich geändert seit den 80ern? Leider nicht viel, wie "Pose" auf unschlagbare Weise zeigt. Ein Coming Out oder eine Transperson zu sein ist immer noch kein Zuckerschlecken. Im 80er-Jahre-Setting der Serie kommt Donald Trump noch als Unternehmer vor, heute regiert er die USA und macht als Präsident eben diesen Gruppen das Leben schwer.

Die Serie zeigt nicht nur Probleme in der Gemeinschaft und ihre Safe Spaces, sie ist auch selbst einer. Die Macher Ryan Murphy und Brad Falchuk haben zuvor schon Produktionen mit recht diversem Cast gemacht wie etwa "Glee" oder "American Horror Story" - aber "Pose" hat den größten Anteil an Transgender-Schauspielern, den es in einer Serie je gab.

"Pose" ist bunt, dramatisch und voller Liebe für jede einzelne Figur. Und davon gibt es viele, immer mit eigener Geschichte und eigenen Herausforderungen. Wie Angel, eine Transfrau, die an einem Punkt in der Serie gefragt wird, ob sie ihren noch vorhandenen Penis zeigen könne. Woraufhin sie antwortet: "Wenn Sie wissen wollen, wer ich bin, dürfen sie da nicht nachsehen." Danke, danke, danke, für diesen Satz. "Pose" ist nicht nur eine wichtige politische Botschaft zur rechten Zeit, sondern sieht dabei auch noch wunderschön aus.

"Pose" könnt ihr bei Netflix streamen.

Sendung: Hochfahren, 06.02.2019 - ab 7 Uhr