Szene aus der Netflix-Serie "Ein Teil von ihr"
Bildrechte: Mark Rogers/ Netflix

Szene aus der Serie "Ein Teil von ihr"

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"Ein Teil von ihr": Halb-explosiver Thriller mit Toni Collette

Ein Trauma, eine sensible Protagnistin, rätselhafte Ereignisse: Schon oft wurde dieses Thriller-Grundrezept zu einem furiosen Cocktail verarbeitet. In der Netflix-Serie "Ein Teil von ihr" will die Mischung aber nicht so recht zünden.

Die eigenen Eltern als eigenständige Personen kennenlernen und nicht nur in ihrer Rolle als Mutter oder Vater, das ist mitunter sehr fordernd. In der neuen Netflix-Produktion "Ein Teil von ihr" lernt Andy ihre Mutter erst richtig kennen, als sie 30 wird und die beiden gemeinsam in einem Restaurant Mittag essen – als plötzlich ein junger Mann aufspringt und seine Ex-Freundin erschießt. Während Andy sich vor Angst kaum rühren kann, überwältigt ihre Mutter den Angreifer mit Fähigkeiten, die nicht zu der Frau passen, die sie bisher als ihre Mutter kannte: Laura, Sprachtherapeutin, normale Bürgerin einer Kleinstadt.

Kurz darauf wird Laura in ihrem Haus von einem Unbekannten überfallen. Tochter Andy kann den Angreifer überwältigen und wird abermals misstrauisch, weil ihre Mutter erschreckend genau weiß, was nun zu tun ist: Mutter Laura bleibt in der Kleinstadt, will dort alles regeln. Tochter Andy dagegen begibt sich auf einen bis ins kleinste Detail durchdachten, von der Mutter quasi in Sekundenschnelle angeordneten Roadtrip nach Maine – und auf die Suche nach Hinweisen zu der nun fremd gewordenen Mutter. Und: Sie wird dabei verfolgt.

Die ersten Folgen funktionieren gut

In den ersten Episoden von "Ein Teil von ihr" geht diese Genre-Erzählung wunderbar auf. Sie ist so passgenau, als würde eine Checkliste für diese neuen aus weiblicher Sicht erzählten Thriller abgearbeitet: Junge künstlerisch veranlagte Frau ist zurück in ihrem Heimatkaff, sieht sich konfrontiert mit einer existenziellen Problematik und wird – da sie nicht zur Polizei gehen kann – selbst zur Ermittlerin. Auf der Suche nach Informationen schlüpft Andy sogar Agenten-gleich in andere Rollen.

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Szene aus der Serie "Ein Teil von ihr"

Die Serie "Ein Teil von ihr" sieht großartig aus. Laternenlicht ist warm, Tankstellenlicht fahl, die Farben eines vergangenen Wintertags sind entsättigt. Die Gestaltung der Serie ist liebevoll: Etwa als ein Gewitter aufzieht und aus dem Grollen graduell der Soundtrack wird.

Thriller ohne Tiefgang

Und dann, ganz schleichend, verliert sich die Serie. Die Gravitas suggeriert Tiefe, wo keine ist. Zwischen den Twists und Cliffhangern lernen wir Mutter Laura und Tochter Andy nicht wirklich kennen. Daran ändern auch Rückblenden in Lauras Vergangenheit nichts, die zwar Hoffnung auf Erklärungen geben, aber auf Dauer nicht verschleiern können, dass hier etwas auf eher wackligen Füßen steht. Dass die Serie immer wieder von Konstellationen der "Partnerschaftsgewalt" erzählt, ist großartig, es bleibt jedoch genauso simpel. Obendrauf: Ein reißerischer Handlungsstrang um eine radikale Gruppierung.

Weibliche Thrillererzählungen hat Netflix vielfach im Angebot – sogar eine satirische Serie aus diesem Genre. "Ein Teil von ihr" hätte ein ebenso unterhaltsamer und sogar kredibler Zusatz werden können, gerade weil die tolle Toni Collette mitspielt. Doch diese Serie fängt vielversprechend an und verfehlt dann doch ihr Ziel.

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