NSU-Prozess


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150. Tag im NSU-Prozess Das Kartell des Schweigens

Der Zeuge Jan W. hätte viel zu erzählen. Ende der 1990er-Jahre war er einer der führenden deutschen Neonazis. Doch der Mann aus Chemnitz verweigerte am 150. Tag des NSU-Prozesses die Aussage. Besorgte er die Waffen für das Trio?

Von: Thies Marsen

Stand: 15.10.2014 | Archiv

Die Angeklagte Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer | Bild: picture-alliance/dpa

Jan W. war Chef eines extrem rechten Musikverlages sowie sächsischer Sektionschef des Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour", in dem nicht nur Rechtsrock und andere Hasspropaganda kursierten, sondern auch Waffen, Sprengstoff und Terroranleitungen. Ein Verfassungsschutz-Spitzel berichtete dem brandenburgischen Landesamt, dass Jan W. den Auftrag habe, Waffen für die gerade untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu besorgen. Das Geld dafür sollte aus Einnahmen des "Blood-and-Honour"-Netzwerkes stammen.

Ermittlungsverfahren gegen W.

Doch der Zeuge Jan W. verweigerte heute vor dem Münchner Oberlandesgericht die Aussage. Denn gegen ihn läuft eines der zehn Ermittlungsverfahren, die die Bundesanwaltschaft derzeit noch gegen mutmaßliche Unterstützer des NSU führt. Somit hat er ein Aussageverweigerungsrecht, und Jan W. machte davon Gebrauch - wie schon einige Zeugen aus der Neonaziszene vor ihm.

"Diese Konstellation legt nahe, dass der NSU nicht nur aus drei Personen bestand, sondern dass es direkte Verbindung in einen größere organisatorischen Zusammenhang, Blood and Honour, gab."

Nebenklage-Anwalt Axel Hoffmann

Diese Äußerung des Nebenklage-Anwalts Axel Hoffmann provozierte Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl zu einer heftigen Replik: Hoffmann habe wohl Strafrecht und Strafprozessordung nicht verstanden, schließlich sei es das Recht von Jan W., die Aussage zu verweigern: "Teile der Nebenklage haben offenbar kein Interesse daran, dass hier etwas Rechtsstaatliches heraus kommt."

Böhnhardts kriminelle Karriere

Die durch Jan W.s vorzeitigen Abgang entstandene zeitliche Lücke nutzte das Gericht, um Verurteilungen und Vernehmungen von Uwe Böhnhardt ins Verfahren einzubringen. Böhnhardt war zwischen 1993 und 1997 mehrfach verurteilt worden, unter anderem wegen Körperverletzung und Volksverhetzung, aber auch wegen Diebstahl und Fahren ohne Führerschein.

Puppe und "Bomben" auf der Brücke

Eine Straftat ragt dabei besonders heraus, für die Böhnhardt schließlich letztinstanzlich vom Landgericht Gera zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde: Im April 1996 hatte Uwe Böhnhardt nach einer Geburtstagsfeier auf einer Autobahnbrücke nahe Jena einen Puppentorso befestigt. Die Puppe war versehen mit einem Davidstern mit der Aufschrift "Jude" und war mit einer Schlinge um den Hals am Brückengeländer befestigt. Außerdem drapierte Böhnhardt damals Kartons auf der Brücke, die er mit Kabeln verband. Auf ein Verkehrsschild schmierte er: "Vorsicht Bombe".

Als die Polizei die Bombenattrappe Stunden später entdeckte, sperrte sie die Autobahn für den Verkehr und beschoss die Kartons schließlich mit Wasserwerfern. Böhnhardt wurde durch einen Fingerabdruck auf einem der Kartons überführt. In seiner Wohnung fand die Polizei unter anderem Neonazi-CDs der einschlägig bekannten Bands.

Der Prozess

Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) werden unter anderem zehn Morde zur Last gelegt. Opfer waren neun Menschen mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin.


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