NSU-Prozess


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150. Verhandlungstag, 15.10.2014 Kein wirkliches Jubiläum

150 Tage NSU-Prozess – kein wirkliches Jubiläum, schon gar nicht ein Tag, an dem es irgendetwas zu feiern gäbe. Das Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung und wegen zehnfachen Mordes läuft seit Mai 2013. An Tagen wie heute schleppt sich das Verfahren mühsam voran. Weil nämlich der Erkenntnisgewinn, die Suche nach der Wahrheit so gegen Null tendiert, wenn Dinge im Vordergrund stehen, die der Strafprozessordnung geschuldet sind.

Von: Ekkehard Querner

Stand: 15.10.2014 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: BR

15 Oktober

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Heute verlasen mehrere Richter des Strafsenats zwei frühere Urteile gegen Uwe Böhnhardt. Die Gerichte in Jena und Gera hatten den NSU-Terroristen im Jahr 1997 u.a. wegen Volksverhetzung und der Androhung von Straftaten schuldig gesprochen. Außerdem verlasen die Richter des Münchner Oberlandesgerichts (OLG) zwei polizeiliche Vernehmungsprotokolle aus dem Jahr 1996. Bei Urteilen und Protokollen ging es um ein und die selbe Straftat Böhnhardts aus dem April 1996: Damals brachte er an der Pösener Brücke über der A4 südlich von Jena einen Puppentorso mit gelbem Davidstern an, der die Aufschrift "Jude" trug. Der Kopf der Puppe hing in einer Schlinge. Zwei Kartons, die untereinander und mit der Puppe über Elektro-Kabel verbunden waren, standen in der Nähe. Böhnhardt leugnete beim Polizeiverhör, etwas mit der Bombenattrappe und der Puppe zu tun zu haben, doch Ermittler fanden später auf einer der Pappschachteln einen Fingerabdruck Böhnhardts. Der damals 19jährige wurde zu einer Jugendstrafe verurteilt.

Zwei Stunden Protokolle verlesen

Die Tat ist hinreichend bekannt, aber heute mussten Urteile und Vernehmungsprotokolle verlesen werden, um sie formal in das Verfahren einzuführen und für den weiteren Verlauf des NSU-Prozesses verwertbar zu machen. Über zwei Stunden waren die OLG-Richter damit beschäftigt.

Der einzige heute geladene Zeuge hatte dagegen einen Auftritt, der nicht länger als zwei Minuten dauerte. Geladen war Jan W.: ein sportlich aussehender 39 Jahre alter Mann aus Chemnitz mit kurz rasierten Haaren und weißem Hemd: nach eigenen Angaben Berufskraftfahrer, bis zu seiner eigenen Verurteilung aber vor allem sächsischer Sektionschef des rechtsextremen und rassistischen Musiknetzwerks Blood & Honour, in dessen Umgebung sich auch das NSU-Trio aufgehalten haben soll. W. soll direkten Kontakt zu den untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gehabt haben. Er soll zudem den Auftrag gehabt haben, dem Trio Waffen zu besorgen.

Nur einen Augenblick

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wusste, was passieren würde, als W. um 9:55 Uhr den Gerichtssaal betrat. Das Gespräch zwischen Richter und Zeuge dauerte nur einen Augenblick. Götzl: "Guten Morgen." W.: "Guten Morgen." Götzl: "Machen Sie Angaben?". W.: "Nein!" W. machte erwartungsgemäß von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch - gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Gemeint ist der NSU. Letzte Worte Götzls zum Zeugen, es ist 9:57 Uhr: !Ich nehme an, der Zeuge kann entlassen werden.! Die Antwort W.s: "Schönen Tag noch, danke!"


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