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Stinkende Kreuzfahrt- und Ausflugsschiffe Freie Fahrt für Feinstaubschleudern?

Kreuzfahrten sind eine der größten Wachstumsbranchen des Tourismus. Doch die gigantischen Schiffe mit tausenden Passagieren verpesten die Luft - nicht nur auf hoher See, sondern auch in Küstennähe und im Hafen, wo die Dieselmotoren meist weiter dröhnen. Nur wenige Kreuzfahrt- oder Ausflugsschiffe verwenden wirksame Rußpartikelfilter gegen Feinstaub, wie sie im Straßenverkehr längst vorgeschrieben sind. Denn auf dem Wasser gibt es dafür keine gesetzliche Pflicht. Umweltschützer und Wissenschaftler warnen vor den gesundheitlichen Folgen.

Von: Ulrich Hagmann, Mike Lingenfelser, Fabian Mader

Stand: 30.08.2016

Rauchender Schornstein eines Kreuzfahrtschiffes | Bild: BR

Für PKW, LKW und Kraftwerke gelten seit Langem strenge Auflagen, wenn sie Emissionen abgeben. Seit den 90er Jahren sind Katalysatoren, seit fast 10 Jahren sind Rußpartikelfilter für Dieselfahrzeuge Pflicht.  Ohne Feinstaubplakette dürfen Autos in keine Umweltzone fahren.  Für Schiffsdiesel gilt das nicht.

Schiffsdiesel dürfen weiter rußen  - auch in der Umweltzone

Ausflugsdampfer – beispielsweise in Berlin -  müssen ihre Diesel-Abgase bis heute überhaupt nicht filtern – und fahren mit Rußfahnen durch die Umweltzone. Für Anwohner und Passanten bringt das extrem hohe und gefährliche Feinstaubwerte. Die Bundesregierung schreibt auf Anfrage, sie setze auf die Freiwilligkeit der Branche. Allerdings haben sich trotz eines Förderprogramms von rund 100 Ausflugsdampfern bisher nur ein paar wenige in Berlin Rußpartikelfilter freiwillig einbauen lassen.

Dreckschleuder Kreuzfahrschiff

Noch umweltschädlicher sind Hochseeschiffe. Auf hoher See fahren sie mit Schweröl – also mit Resten der Erdölverarbeitung - mit einem Schwefelanteil von bis zu 3,5 Prozent. Auf Nord- und Ostsee ist deshalb Marinediesel vorgeschrieben, der nur 0,1 Prozent Schwefel enthält – der damit aber immer noch 100 Mal giftiger ist als LKW-Diesel, sagt Sönke Diesener vom Naturschutzbund NABU gegenüber report München.

Diese ungefilterten Abgase atmen auch viele Anwohner ein – denn vor allem Kreuzfahrtschiffe fahren gerne  an den Küsten entlang und liegen häufig zu rund 40 Prozent ihrer Zeit in Häfen – bei laufendem Motor, um Strom für  den Hotelbetrieb für oft mehrere tausend Gäste zu produzieren. Prof. Ralf Zimmermann vom Helmholtz Zentrum in München warnt gegenüber report München vor den Folgen von Staubpartikeln aus Schiffsabgasen:  

"Die ganz feinen Partikel können eben sehr tief eindringen in die Lunge. Die kommen bis in die Lungenbläschen, dort haben wir nur eine Zellschicht zwischen dem Luftraum sozusagen und dem Blutgefäß und dort können dann Entzündungen ausgelöst werden und diese Entzündungen können chronifizieren, also permanent werden und dann können Erkrankungen wie Asthma oder auch zum Beispiel Herzinfarkte ausgelöst werden."

Prof. Ralf Zimmermann, Helmholtz Zentrum in München

Die boomende Kreuzfahrtbranche würde das Negativimage gerne loswerden und investiert in neue Umwelttechnologien. Jörg Rudolph, Geschäftsführer von RCL Cruises, gibt an, dass 12 von 40 Schiffen des Unternehmens Rußpartikelfilter verbaut hätten. Allerdings ist umstritten, wie viel Feinstaub diese Systeme herausfiltern. Denn beim Schwesterunternehmen TUI Cruises heißt es: „Ein serienreifer Rußpartikelfilter für Kreuzfahrtschiffe unserer Größe, der Kleinstpartikel reduziert, ist uns nicht bekannt.“

TUI Cruises setzt demnach ein kombiniertes System zur Reduktion von Schwefel und Stickoxiden ein, das auch Rußpartikel filtert – aber nur zu rund 60 Prozent und dabei gerade nicht die besonders gefährlichen, ultrafeinen Partikel, die bis tief in die Lunge vordringen können.

Flüssiges Erdgas als saubere Alternative

Das Konkurrenzunternehmen AIDA setzt in Zukunft auf verflüssigtes Erdgas (LNG). Dieser Kraftstoff ist viel umweltfreundlicher. Bei der Verbrennung entstehen weder Ruß noch Feinstaub und kaum Stickoxide. Aber bisher  setzt die Reederei das emissionsarme Erdgas nur bei zwei Schiffen während der Liegezeit in einigen Häfen ein. Neue Schiff, die auch unterwegs mit LNG betrieben werden können, sind bestellt, aber noch nicht im Einsatz.

Greenwashing und leere Versprechen

Die „AIDA Prima“, gepriesen als das sauberste Kreuzfahrschiff der Welt, soll  Schwefel, Stickoxid und Feinstaub nahezu vollständig aus dem Abgas filtern. Allerdings sind die Systeme immer noch im Test und in der Zulassungsphase. Für die übrige AIDA-Flotte mit weiteren zehn Schiffen muss der Branchenführer zugeben: „Die Nachrüstung der AIDA Flotte mit Abgasnachbehandlungssystemen konnte deshalb noch nicht wie geplant abgeschlossen werden.“

Immerhin haben vier AIDA-Schiffe erste Installationen der umfangreichen Nachrüstungen zur Abgasnachbehandlung erhalten. Sie können damit laut AIDA jetzt schon die Schwefeloxide und einen Teil des Feinstaubs herausfiltern. Sauber sind sie aber noch lange nicht und der Rest der Flotte, immerhin sechs Schiffe, bläst den Dreck weiterhin vollkommen ungefiltert in die Luft der Hafenstädte.

Den durchschnittlichen Schadstoffausstoß pro Schiff und Tag  wollte uns das Unternehmen nicht mitteilen. Eine solche Antwort bekamen wir auch nicht von der Reederei Cunard, deren drei Queens allesamt modernste Filtersysteme besitzen sollen.  
Doch was heißt das?
Der Branchenverband CLIA muss jedenfalls zugeben, dass die Feinstaubfilter der Ozeanriesen noch nicht perfekt arbeiten.
Helge Grammerstorf,  Direktor der CLIA Deutschland  sagt im Interview mit report München:

"Bei den Rußpartikelfiltern haben wir eine relativ schwierige technische Diskussion, denn Rußpartikel haben verschiedene Klassen, verschiedene Größen von Partikeln. Die Filter werden immer besser, immer feiner, bis ganz ans Ende sind wir noch nicht gekommen, aber auch das steht unmittelbar bevor."

Helge Grammerstorf, Direktor der CLIA Deutschland 

Doch das ist nur ein Teil des Problems. Denn viele Kreuzfahrtschiffe verfeuern auf hoher See nach wie vor Schweröl als Kraftstoff mit einem Schwefelgehalt von bis zu 3,5%. Da aber in  Küstenregionen vor Amerika, Nord- und Ostsee nur noch ein Schwefelgehalt von 0,1% zulässig ist, setzen viele Schiffe schwefelärmeren Marinediesel ein oder verwenden Schwefelfilter, um diese Norm zu erreichen. Einige fangen mit den Schwefelfiltern dabei zusätzlich einen Teil des Feinstaubs ab. Die Reeder verweisen in ihren Werbebotschaften gerne auf moderne Filteranlagen und verschweigen, dass sie auch mit solch einer Technik mehr Schadstoffe ausstoßen als bei modernen Diesel-Fahrzeugen an Land erlaubt ist. 

Umweltschützer wie NABU-Geschäftsführer Leif Miller kritisieren deswegen:

"Seit Jahren verkünden die Reeder vollmundig, umweltfreundlicher werden zu wollen. Doch außer polierten PR-Texten kommt bisher kaum etwas Substantielles in der Praxis an. Das ist „Greenwashing“ in Reinform und angesichts der verursachten Schäden nicht hinnehmbar."

Leif Miller, NABU-Geschäftsführer

Im aktuellen Ranking des Nabu kommt die Kreuzfahrtbranche beim Umweltschutz schlecht weg: 

Tonnenweise Stickoxide und CO2,  hunderte Kilo Feinstaub

Zumindest eine Reederei hat die Frage nach dem Schadstoffausstoß ihrer Schiffe konkret beantwortet. RCL Cruises, einer der großen Player in der Kreuzfahrtbranche, nennt den durchschnittlichen Ausstoß eines 4000-Betten Schiffes pro Tag:  

Durchschnittlicher Ausstoß eines 4000-Betten Schiffes pro Tag (RCL Cruises):

NOx -  Stickoxide: ca. 1.500 - 2.000 kg
Feinstaubpartikel - Emissionen:  ca. 200 kg
CO2: ca. 140.000 kg
Treibstoffverbrauch: ca. 80 - 100 t.

Viel Dreck und doch nur die Spitze des Eisberges. Die Kreuzfahrtbranche und einige Ausflugsdampfer haben in Sachen Umweltschutz zumindest einen Anfang gemacht. Die übrige Schifffahrt kümmert sich weniger – und kann sich mit der Nachrüstung Zeit lassen. In der Binnenschifffahrt werden erst 2020 Feinstaubfilter Pflicht, dann nur für Neuzulassungen. Für Ozeanriesen ist eine gesetzliche Pflicht nicht in Sicht.


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