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Gabriel fordert Gesetzesreform Kein Unterhalt fürs Kind - kein Führerschein

SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert eine Reform des Unterhaltsrechts, um Alleinerziehende besserzustellen. Säumigen Vätern soll künftig der Führerschein entzogen werden, um sie zu Unterhaltszahlungen zu bewegen.

Von: Daniel Pokraka und Claudia Grimmer

Stand: 09.08.2016 |Bildnachweis

Symbolbild "Schwangerschaft, Vaterschaft, Sorgerecht" | Bild: picture-alliance/dpa / Volkmar Heinz

Der SPD-Chef erinnert sich an seine Kindheit. Sein Vater habe sich damals geweigert, der Mutter Unterhalt für ihn und seine Schwester zu zahlen. Sigmar Gabriel spricht in der „Bild“ von einem beständigen Kampf, der seine Mutter bis an die Grenzen ihrer Kraft gebracht habe. Für den SPD-Chef ist klar: Beim Unterhaltsrecht muss sich etwas passieren. Drei Viertel der Kinder von alleinerziehenden Müttern bekämen keinen oder zu wenig Unterhalt. Es müsse sich dringend etwas ändern.

"Es ist ein Skandal, dass drei Viertel der Kinder alleinerziehender Mütter keinen oder zu geringen Unterhalt vom Kindesvater bekommen. Auch mein Vater hat sich geweigert, meiner Mutter Unterhalt zu zahlen - für meine Schwester und für mich. Das war ein beständiger Kampf, der meine Mutter bis an die Grenzen ihrer Kraft gebracht hat."
Sigmar Gabriel, SPD-Parteivorsitzender, gegenüber der "Bild"

Rechtliche Grundlage fehlt

Ein Fahrverbot als juristisches Sanktionsmittel - wirklich neu ist dieser Vorstoß der SPD-Politiker Sigmar Gabriel und Manuela Schwesig eigentlich nicht, er steht im Koalitionsvertrag. Ist also ein Auftrag aus dem Jahr 2013, den sich die Große Koalition selbst gegeben hat. Allerdings, so betont der CSU-Politiker Alexander Hoffmann, stecke dahinter die Idee einer erzieherischen Maßnahme, die vor allem im Jugendstrafrecht greifen soll. Im Erwachsenenstrafrecht dagegen gäbe es hohe verfassungsrechtliche Hürden, wenn die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werde und dabei die Tat nicht direkt in Zusammenhang mit einem Auto stehe. Der Vorstoß von Gabriel und Schwesig, säumigen Unterhaltspflichtigen den Führerschein zu entziehen, sieht der CSU-Politiker Hoffmann deswegen skeptisch.

"Ich fürchte, Frau Schwesig hat sich hier auf einen Fall kapriziert, von dem sie ausgeht, dass er sich besonders gut anhört. Wenn sie sich mit der Praxis beschäftigt, wird sie feststellen, dass diese Fälle sehr gut bewältigt werden, weil wir gerade im Bereich des Unterhaltsrechts hervorragende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen haben, da auch mit der Unterstützung des Jugendamtes. Es ist ja auch eine Straftat, wenn jemand seine Unterhaltspflicht verletzt."

Alexander Hoffmann, MdB CSU und Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Unterhaltsanspruch und Wirklichkeit

Alleinerziehende Väter und Mütter

Von 12,9 Millionen Kindern unter 18 Jahre leben 17 Prozent in alleinerziehenden Familien. In neun von zehn Fällen ist der alleinerzeihende Elternteil dei Mutter.
Quelle: Bundesfamilienministerium

So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch: "Leben die Eltern eines minderjährigen Kindes getrennt, erfüllt der Elternteil, bei dem das Kind aufwächst, seinen Unterhaltsbeitrag in der Regel durch Pflege und Erziehung des Kindes. Der andere Elternteil ist barunterhaltspflichtig, das heißt, er hat den Unterhalt grundsätzlich durch Zahlung einer monatlichen Geldrente zu erbringen." In der Realität zahlen nur wenige Männer Unterhalt für ihre Kinder. Deshalb sprach sich auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig dafür aus, säumigen Unterhaltspflichtigen den Führerschein zu entziehen.

Wenn Papa nicht zahlt, zahlt die Kommune

Bleiben die Unterhaltszahlungen des 2. Elternteils unter dem festgesetzten Regelbedarf, springt der Staat ein.

Von den rund 8,1 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in Deutschland sind knapp 20 Prozent alleinerziehende Mütter oder Väter. Auch für die Kommunen wird die Zahlung des Unterhalts immer mehr zum Problem. Wird der Unterhalt nicht gezahlt, so muss der Staat einspringen. Dieser so genannte Unterhaltsvorschuss beträg für Kinder bis zu fünf Jahren monatlich 145 Euro und für Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren 194 Euro. Unterhaltsvorschuss erhalten Kinder bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres, die bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten. Der Unterhaltsvorschuss wird für maximal 72 Monate gezahlt. Auch das soll geändert werden. Die SPD sieht die Zahlung eines Unterhaltsvorschusses bis zum 16. Lebensjahr vor.

Schon jetzt gäbe es Mittel und Wege

Selbstbehalt des Zahlenden

Der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen, unverheirateten Kindern beträgt beim nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 880 € monatlich und beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.080 € monatlich.

Das Gesetz sieht im Falle der Verletzung der Unterhaltspflicht eine Geldstrafe und sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Beide Elternteile sind verpflichtet für ihre Kinder Unterhalt zu erbringen. Es besteht Unterhaltspflicht. Die Düsseldorfer Tabelle gilt als Richtlinie zur Bemessung des Kindesunterhalts. Sie wurde zum 01.01.2016 aktualisiert. Maßstab der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners ist in der Regel dessen Arbeitseinkommen.

Düsseldorfer Tabelle

Zum Arbeitseinkommen gehören grundsätzlich alle Leistungen, die der Arbeitnehmer aus seinem Arbeits- oder Dienstverhältnis bezieht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Geld- oder Sachleistungen handelt. Entscheidend im Hinblick auf Geldleistungen ist das Nettoeinkommen der vergangenen 12 Monate. Bei Selbständigen ist Grundlage der Leistungsfähigkeit die Einnahme-/Überschussrechnung für die letzten drei Jahre.

Drückeberger und Trickser

Für rund eine Million Kinder zahlt nicht der eigentliche Papa, sondern Vater Staat den Unterhalt. So zahlt nur etwa die Hälfte aller unterhaltspflichtigen Elternteile den rechtmäßigen Unterhalt. 25 Prozent der Ein-Eltern Familien müssen mit deutlich weniger Geld zurechtkommen und bei einem Viertel bleiben die Unterhaltszahlungen vollständig aus. Die Beamten versuchen sich diese Gelder zurückzuholen, meistens von den Vätern. Aber das gelingt nur in jedem fünften Fall, weil Papas nicht zahlen können oder wollen.







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Ruhiger und gelassener Bürger, Dienstag, 09.August 2016, 15:39 Uhr

16.

Unterhaltszahlungen sollten durchgesetzt werden! Aber die Idee mit dem Führerschein, reine Medienshow.
Ich würde sagen, Herr Gabriel hat die Bodenhaftung verloren und findet deshalb keine verhältnismäßigen Mittel mehr.
(...) Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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Franz, Dienstag, 09.August 2016, 15:33 Uhr

15. Schlagt ruhig ein auf die Väter

Ich bin selbst unterhaltspflichtiger Vater und ich bezahle seit der Trennung für meine Tochter pünktlich und freiwillig etwas mehr. Warum? Weil es mein Kind ist. Dafür werde ich vom zuständigen Jugendamt als Sprachrohr der Kindsmutter eher wie ein asozialer Straftäter behandelt als ein rechtsschaffender Bürger. Ich fahre um mein Kind nach Bayern zu holen an den Umgangswochenenden 3000km - das interessiert z.B. keinen. Die Zeiten von Herrn Gabriels Eltern haben sich massiv geändert - alleinerziehende Mütter sind heute oft nicht mehr die armen verlassenen Lämpchen die Vater Staat mit aller Härte verteidigen muss. Die jungen Frauen wissen schon wie man sich von allen Seiten sozial absichert. Oft haben die Unterhaltsberechtigten - nämlich die Kinder nichts von den monatlichen Einnahmen. Die fließen gar oft in Reisen, Klamotten, Party etc. Die Unterhalt zahlenden Väter sind oft die Deppen.

Oliver S., Dienstag, 09.August 2016, 14:18 Uhr

14. Wäre für mich eigentlich selbstverständlich ...

... dass ich für den Unterhalt meines Kindes aufkomme, auch wenn ich von der Mutter getrennt bin. Ist ja auch mein Kind.

Mich würde mal interessieren, warum so viele nicht zahlen. Weil sie
a) einfach nicht zahlen wollen - m.E. nicht nachvollziehbar, wenn es um das eigene Kind geht...
b) schlichtweg nicht zahlen können, weil von dem eigenen Gehalt in Verbindung mit den überzogenen Mieten und sonstigen Kosten ("Eigenverantwortung") kaum was übrig bleibt.

U.A. genau deshalb gibt es insbesondere in der katholischen Kirche ein paar Regeln - u.A. die Unauflösbarkeit der Ehe. "... wollt Ihr Euch lieben und ehren, bis dass der Tod Euch scheidet ..." hat einen ernsten Hintergrund. Schlichtweg, weil es immense Probleme bereitet, wenn sich Eltern trennen - in erster Linie für die Kinder. Und weil keine Ehe immer harmonisch und voll Sonnenschein ist. Aber unserer moderne Welt braucht dieses vermeintlich altmodische Zeugs nicht und lehnt das alles ab.

johannes ost, Dienstag, 09.August 2016, 13:51 Uhr

13. Zwecklos

Die bürgerliche Familie (Vater, Mutter, Kinder) wird, beginnend vor allem mit den "68-ern", systematisch schlecht gemacht, die Jungs werden sehr oft zu verantwortungslosen Egozentrikern erzogen und die Sozialdemokratie kümmert sich seit langem nicht mehr um die Kernfamilie, sondern um Schwule und Genderismus. Jetzt plötzlich erkennt man, dass da gehörig was schief läuft und will mit lächerlichen Maßnahmen gegensteuern, zwecklos.

Agnes, Dienstag, 09.August 2016, 13:37 Uhr

12. Unterhalt

Was macht Gabriel da für einen dummen Vorschlag und was bitte hat der Führerschein mit nicht geleisteten U-Zahlungen zu tun ? Und wie - wenn der Papa jww wohnt, ohne Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, - soll er bitte seine Kinder sehen bzw. abholen ?

Keinen Unterhalt zu bezahlen, ist sicher nicht ok, aber daß einige alleinerziehende Mütter nichts dazu verdienen wollen, obwohl sie es könnten, ist auch nicht fair. Lieber nehmen sie die Männer aus und machen sich ein angenehmes Leben. Ich sage nicht, daß es alle so machen, aber es gibt solche und daran sollte auch mal gedacht werden......