Medienkompetenzprojekte


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Medienkompetenzprojekte in Zeiten von Corona Digitale Medienkompetenz von Unterricht bis Abschlussveranstaltung

Lockdown - nichts geht mehr. Die Schulen bleiben geschlossen, Schule daheim findet häufig nur noch in den Kernfächern statt. Auch die Gebäude des Bayerischen Rundfunks dürfen weder von Schüler*innen, noch von Lehrkräften oder Seminarleitern betreten werden. Sämtliche Projekte und Fortbildungen werden abgesagt - zunächst. Nach einer kurzen Schockstarre war klar: Die Medienkompetenzprojekte müssen umso stärker im Digitalen auftreten. Hier stellen wir einige Medienkompetenzprojekte, die Arbeit während dieser besonderen Zeit und deren digitale Finales vor.

Von: Anne Thoma, Elke Dillmann, Geli Schmaus, Judith Schönicke und Simone Wichert

Stand: 29.07.2020

Live-Event P-Seminar 2020 | Bild: Medienkompetenzprojekte BR (via YouTube)

"Wir haben Konzepte geschrieben und uns komplett neu aufgestellt. Und siehe da: Es funktioniert auch im Netz, vor allem dank der schnellen Reaktion und des großes Einsatzes meiner Kolleg*innen. Die Online-Seminare für Lehrkräfte waren sofort ausgebucht, die Abschlussveranstaltungen, die wir noch mit heißer Nadel gestrickt hatten, sehr vergnüglich. Und auch die Schülerinnen und Schüler haben großartig mitgemacht, Interviews und der Austausch von Ideen fanden dann eben online statt. Wir haben viel gelernt dabei, geben unsere Erfahrungen gerne weiter und sind für den Herbst gut gerüstet."

Isabella Schmid, Leiterin Medienkompetenzprojekte

P-Seminar: Abschluss mit einem digitalen Liveevent

Das P-Seminar ist Bestandteil der gymnasialen Oberstufe und steht für "Projektseminar" oder auch "Praxisseminar". Über den Zeitraum eines Schuljahres realisieren die Schülerinnen und Schüler eine praktische Arbeit unter Einbeziehung eines externen Partners. Im Bereich Medien ist der Bayerische Rundfunk der meistgefragte Kooperationspartner in Bayern.

Normalerweise präsentieren die Schülerinnen und Schüler zum Ende des Schuljahres vor großem Publikum im BR-Funkhaus ihre Ergebnisse aus der Kooperation zwischen BR und Schule - dies ist der Höhepunkt des gemeinsamen Projekts. Doch das war nun nicht möglich. Uns war es wichtig, das Engagement der Jugendlichen im Bereich P-Seminar dennoch zu würdigen und einen digitalen P-Seminartag zu konzeptionieren. Aus dem P-Seminartag wurde schließlich ein Event, das live auf Youtube gestreamt wurde - mit vielen interaktiven Tools wie Chat, Echtzeit-Feedbacks via Mentimeter und Liveschalten zu den Jugendlichen, Lehrkräften und Coaches quer durch Bayern. Moderiert wurde im Greenscreen-Studio in Unterföhring. Wegen der geltenden Abstandsregelungen arbeitete das Produktionsteam in einem Ü-Wagen vor dem Haus.

Das Event war von langer Hand geplant: Vorab hatten wir diverse Tools ausprobiert: Nach Tests unter anderem mit Microsoft Teams, Jitsi Meet und Youtube entschieden wir uns für die letzte Variante, da hier die geringste Zeitverzögerung festzustellen war und wir so interaktiv wie möglich sein wollten.

"Für diesen völlig neuen und ungewohnten Workflow mussten wir einige Schleifen im Haus drehen. Ein herzliches Dankeschön den Kolleg*innen aus der trimedialen Produktionssteuerung, den digitalen Expert*innen und Socia-Media-Berater*innen sowie dem Designteam, die uns bei allem unterstützt haben."

P-Seminar-Projektleiterin Anne Thoma

TurnOn: Kreative Schülerinnen und Schüler trotz - oder gerade wegen Corona?

TurnOn ist ein Schulradioprojekt, bei dem die Schülerinnen und Schüler lernen, für ihr Schulradio Beiträge zu produzieren. Im April dachten wir, dass TurnOn dieses Jahr einfach flachfällt. Aber dann haben die Schulradios so kreative Ideen entwickelt! Gemeinsam Beiträge machen via Messenger-Sprachnachrichten, ein Hörspiel aufnehmen per Viedokonferenz, einen Erwachsenen, der in die Schule reindarf, "fernsteuern" und ihn die Menschen in der Notbetreuung interviewen lassen, ein Fotostativ ans Aufnahmegerät binden, um den Mindestabstand bei Interviews einzuhalten …

An manchen Schulen war das Schulradio ein verbindendes Element der Schulfamilie in Zeiten des Social Distancing - voneinander Hören hat Nähe geschaffen. Wir als TurnOn-Team waren sehr beeindruckt und hatten am Ende viel mehr Einsendungen zum Wettbewerb als erwartet – auch einige, die Corona auf sehr originelle Weise zum Thema gemacht haben, so viele, dass die Jury eine neue Sonderkategorie "Corona" eingerichtet hat.

Was liegt beim Schulradioprojekt TurnOn näher, als als Abschluss eine Radiosendung zu planen! Kein Problem, weil täglich Brot im Hörfunk - dachten wir. Jedoch: Audio-Livestreams via Internet sind bei uns nicht vorgesehen, dafür gibt es keinen Workflow! Während des Planungsphase fühlten wir uns zeitweilig sehr an Karl Valentins "Buchbinder Wanninger" erinnert. Aber: Wir haben die Sendung wirklich realisiert - nicht zuletzt dank der tatkräftigen Unterstützung unserer kreativen Hörfunkkolleg*innen. Und dass das dann technisch gesehen eine Fernsehsendung mit nur einem Bild war, muss ja niemand wissen.

"Ein dickes Dankeschön an alle Beteiligten, allen voran an Ludger Seelbach, Martina Huber und Andreas Knedlik - ohne deren tatkräftige Unterstützung hätten wir unsere Vorstellungen eines digitalen TurnOn-Abschlussevents mit Preisverleihung für unsere TurnOn-Schulen nicht so cool umsetzen können!"

TurnOn-Projektleiterin Elke Dillmann

MünchenHören: "Wir mischen mit - trotz Corona"

MünchenHören heißt seit elf Jahren: die Stadt aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern der 1. bis 12. Klasse akustisch erleben, jedes Jahr aus einem anderen Blickwinkel. "Wir mischen mit" war das Motto 2020 - und es sah im März so aus, als würden die Klassen nicht mitmischen können. Doch schnell wurde klar: Wir bleiben dabei und unter dem neuen Motto "Wir mischen mit - trotz Corona" konnten viele Klassen einen Teil ihrer Pläne verwirklichen. Andere setzten Ideen um, die mit ihrem Leben mit Corona zu tun hatten.

Aber das medienpädagogische Training fehlte! Die Idee: Die Lehrkräfte und Schüler*innen lernten stattdessen durch viele kurze Filme, die wir in Windeseile in den Osterferien produzierten, die Grundlagen des Radiomachens: verschiedene Beitragsformen, Audios mit den (elterlichen) Smartphones aufzunehmen und per Mail zu verschicken. Das Pädagogische Institut (PI-ZKM) der LHM stellte als unser Kooperationspartner Ressourcen für fortlaufend entstehende Beiträge zur Verfügung.

Zur Abschlussveranstaltung im Studio 1, ungewohnterweise vor leerem Studio, aber mit vielen, vielen Schülerinnen, Schülern, Eltern und Lehrkräften daheim am Monitor, konnte das Projekt grandios zu Ende gebracht werden. Ohne die flexible, kreative und unkomplizierte Zusammenarbeit mit Kameramännern und -frauen und den Kolleg*innen der Produktionssteuerung, des Produktionsmanagements und der Aufnahmeleitung hätte dieser Abschluss nicht so toll realisiert werden können.

"Unser Resümee: Wir können Audio auch ohne direkte Begegnung machen - dennoch haben wir diese alle sehr vermisst! Die Arbeit vor Ort ist unersetzlich, aber die vielen gelungenen Audios trotz erschwerter Bedingungen machen zufrieden und freuen."

MünchenHören-Projektleiterin Geli Schmaus

Hörpfade: Wenn das Wohnzimmer zum vhs-Kursraum wird

"Eigentlich", ein Wort, um das man derzeit auch beim Erwachsenenbildungsprojekt "Hörpfade" mit dem bayerischen Volkshochschulverband nicht herumkommt. Der jährlich stattfindende Fachtag wurde vom Studio Franken ins Netz verlegt und mit Microsoft Teams durchgeführt. Für manche Beteiligte dieses bayernweiten Angebots sogar ein Vorteil, weil sie sich die Anreise sparten.

Der Erfahrungsaustausch zeigte dann: Von "alles auf Eis gelegt" bis "unverdrossen weitermachen" ist die Lage in den einzelnen "Hörpfade"-Kursen ganz unterschiedlich: In Baar-Ebenhausen sollte nach den Kommunalwahlen ein vhs-Kurs beginnen, in dem die Teilnehmende ihren Heimatort akustisch porträtieren. Nun hofft Zweigstellenleiterin Elisabeth Vomberg, dass sie im Herbst starten kann.

In Kunreuth im Landkreis Forchheim dagegen gab es bereits eine Gruppe, die vor Corona ihr erstes Audio produziert und veröffentlicht hatte. Sie wartet ungeduldig auf die Erlaubnis ihrer vhs, endlich weitermachen zu dürfen.

Gar nicht umstellen musste sich dagegen die gut eingespielte Gruppe in Markt Indersdorf im Landkreis Dachau: Produziert wird schon lange bei den Kursmitgliedern daheim, Audiofiles und Manuskripte machen per Mail die Runde und zur Not wurden halt Familienmitglieder als Sprecher*innen engagiert. So konnte die Klingende Landkarte, auf der alle Ergebnisse veröffentlicht werden, auch in den letzten Monaten weiter wachsen – auf mittlerweile fast 300 Audios!

Medienexperten - Digital unterrichten in Zeiten von Corona

Die Medienkompetenzprojekte des  Bayerischen Rundfunks bilden Lehrer*innen berufsbegleitend zu Medienpädagogik*innen aus - in Deutschland seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Kultusministerium an der Akademie für Lehrerfortbildung, seit diesem Jahr auch gemeinsam mit dem Goethe-Institut Deutschlehrerinnen aus Osteuropa. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und besteht aus vier Präsenzmodulen.

Medienexperten digital und online im Frühjahr 2020.

Im Frühjahr waren die Osteuropäerinnen erstmals in München. An eine Anreise zum geplanten zweiten Modul im Mai war natürlich nicht zu denken. Unsere Herausforderung als Team: Wie wird aus einem Wochenkurs in einer Tagungsstätte, in dem gemeinsam Hörspiele und Reportagen produziert werden, ein Online-Kurs? Gemeinsam mit BR-Mediengestalter und Sounddesigner Rupert Jaud, Hörspieldramaturgin Stephanie Metzger, Sprecherin Karin Schuhmacher und Zuhörspezialistin und B5-aktuell-Kollegin Judith Schönicke haben wir ein Konzept für einen Onlinekurs entwickelt, der sich über mehrere Wochen erstreckt hat, mit Videokonferenzen und Selbstlernphasen. 

Klar war: Ein Großteil der Wissensvermittlung sollte möglichst zeitunabhängig laufen. Die Teilnehmenden sollten möglichst viel praktische Erfahrung sammeln und gleichzeitig den BR und unser Verständnis von Journalismus kennenlernen. Viele BR-Kolleg*innen aus dem ganzen Haus waren bereit, in Videokonferenz-Interviews von ihrem Beruf zu erzählen. Erst mal fühlt es sich komisch an, aufzustehen, sich zu vor der Laptopkamera zu dehnen und zu hüpfen und seltsame Laute von sich zu geben, aber mit Sprechtrainerin Karin Schuhmacher funktioniert auch das. Und auch nach einem langen Tag voller Hörspielgeschichte und Hörspieltheorie werden in virtuellen Breakout-Räumen grandiose Szenen improvisiert.

Für alle Teilnehmenden war es eine große Herausforderung, sich in der aktuell angespannten Schulsituation die nötigen Freiräume für die Ausbildung zu schaffen - Prüfungen, Konferenzen, Vertretungen, die Betreuung der eigenen Kinder, das war nicht immer leicht.

Nun besteht die große Herausforderung für alle Teilnehmenden darin, bis zum Herbst eine eigene Podcast-Folge zu erstellen. Die Osteuropäerinnen nehmen die Medienszene ihres jeweiligen Heimatlands kritisch unter die Lupe, die deutschen Lehrer*innen tasten sich schon mal an das Thema der ARD-Themenwoche heran: "Bleibt alles anders?" Vielen Dank allen für Experimentierfreude und Improvisationsbereitschaft!!!


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