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alpha-thema: Wald Unser Wald - Zoff im deutschen Forst

Hans-Caspar Graf zu Rantzau und seine Tochter Anna - seit gut 800 Jahren ist dieser Wald im Familienbesitz.
| Bild: BR/NDR/Tim Boehme

Montag, 06.04.2020
21:30 bis 22:15 Uhr

ARD alpha
2017

Der deutsche Wald ist für viele Menschen Sehnsuchtsort, Mythos und Identitätsstifter. Gut ein Drittel der Bundesrepublik ist gegenwärtig bewaldet, ungefähr die Hälfte der Wälder davon ist in staatlicher Hand, gehört also den Bürgern. Deutschland ist Spitzenreiter in der Forstwirtschaft. Die Bundesrepublik hat die größten Holzvorräte in ganz Europa, mehr noch als Finnland oder Schweden.

Doch um den Forst in Deutschland ist ein erbitterter Streit entbrannt, denn er soll Unglaubliches leisten: sauberes Wasser und gute Luft generieren, nachhaltige Roh- und Brennstoffe liefern, CO2-Emissionen limitieren, Naturschutz und Erholung garantieren. Kann all das gleichzeitig funktionieren?

Die Forstwirtschaft ist gespalten. Einige Menschen sind überzeugt, dass die Natur sich am besten selbst reguliert. Die meisten privaten Waldbesitzer und Förster sind dagegen Verfechter eines Kulturwaldes, also eines kontinuierlich gepflegten Waldes. Sie bezeichnen die Naturwaldverfechter als Ideologen. Wer kann es besser, die Natur oder der Förster?

Einer der Naturwaldverfechter stapft mit einigen Wissenschaftlern und seltsamen Gerätschaften durch den 5.000 Hektar großen Stadtwald Lübeck. Es ist Förster Knut Sturm, der sein Revier per Laserscanner vermessen lassen will. So will er handfeste Beweise liefern, dass der Wald seinen eigenen Berufsstand im Grunde genommen nicht nötig hat. „Wir müssen nicht alles managen, sondern sollten einfach der Natur vertrauen“, glaubt er.

Ginge es nach ihm, sollte die Hauptaufgabe des Försters sein, den Wald möglichst in Ruhe zu lassen und nur noch die wirklich alten, erwachsenen Baumsenioren schonend zu ernten. Sein Motto: Wir nutzen den Wald und er hat es nicht bemerkt.

Wenn Hans-Caspar Graf zu Rantzau die Wälder seiner Familie besichtigt, empfindet er in erster Linie Ehrfurcht vor der Leistung seiner Vorväter: „Vor 210 Jahren war dieser Eichenwald nur ein platter Acker“, erklärt der Graf stolz, dessen Familie hier schon seit über 800 Jahren wirtschaftet. Der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Waldbesitzerverbandes versteht den ganzen Hype um die angeblichen Naturwälder nicht: „Der Wirtschaftswald ist sogar beim Artenschutz dem Naturwald überlegen. Es gibt keinen rationalen Grund, auch nur 0,1 Prozent der Wälder als Naturwald zu führen. Wald beruht auf einem Generationenvertrag, und den sollten wir nicht leichtfertig kündigen, sonst werden unsere Nachkommen sich wundern, warum sie keine brauchbaren Rohstoffe haben.“

Momentan steht der norddeutsche Wald vor großen Veränderungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Wälder abgeholzt, dienten als Reparationszahlung an die Siegermächte. Damit man möglichst schnell wieder Holz ernten konnte, wurden schnell wachsende Nadelholzplantagen angelegt, meistens Fichten. Das sind Nadelbäume, die in Deutschland eigentlich nur auf Bergkämmen wachsen. Diese Plantagen sind jetzt alle gleichzeitig erntereif. Die ganze Holzwirtschaft hat sich um Nadelholz organisiert, denn die langen, geraden Schäfte der Stämme eignen sich hervorragend, um schnell und effektiv Baumaterial herzustellen. 70 Jahre braucht ein solcher Baum, bis er ausgewachsen ist.

Doch die Fichte hat wegen des Klimawandels keine gute Prognose in Deutschland, ist extrem anfällig gegen Schädlingsbefall.
Welche Baumart könnte die Fichte ablösen? Sollte man stärker auf Arten fremder Länder, wie die nordamerikanische Douglasie, als Bauholz setzen? Oder verpasst Deutschland damit als Gesellschaft die Chance, die Wälder ganz auf Natur pur umzustellen, und das für die nächsten 100 Jahre?

„45 Min“ begleitet Förster Knut Sturm und seine Widersacher ein Jahr lang durch den Wald. Wer hat die besseren Argumente: der Liebhaber des Naturwaldes oder die Verfechter einer aktiven Bewirtschaftung?

Redaktion: Gábor Toldy