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Die Macht der Sprache

RESPEKT Die Macht der Sprache

Stand: 09.09.2020

  • Worte sind beim Menschen mit Assoziationen und Gefühlen verknüpft. Deshalb transportieren sie nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen.
  • Diese Tatsache machen sich Menschen durch eine gezielte Wortwahl zunutze. So lenken sie die Wahrnehmung und manipulieren Ansichten und Handlungen anderer.
  • Wer achtsam mit Worten umgeht, sie also bewusst wahrnimmt und verwendet, gibt anderen weniger Macht über sich.

Die freie Meinungs- und Willensbildung aller Bürger:innen ist DIE Grundlage von demokratischen Entscheidungen. Deshalb wollen Politiker:innen, Medien, PR-Agenturen, Lobbyist:innen oder Aktivist:innen unsere Sprache beeinflussen. Denn Begriffe bestimmen, wie wir die Welt begreifen. Und Sprache hat viel mehr Macht über das Denken, als uns im Alltag bewusst ist. "Erderwärmung" zum Beispiel klingt fast sehr freundlich für das Phänomen einer Klimakatastrophe. Der Begriff kann also verwendet werden, um das Thema zu verharmlosen.

Erderwärmung und Steueroase: klingt positiv, ist es aber nicht

Hören wir zum Beispiel das Wort "Wärme", ruft unser Gehirn dazu auch Bilder auf. Jedes Wort ist mit Bildern verknüpft. Und auf die greifen wir unwillkürlich zurück, wenn wir ein Wort hören oder lesen. Wir sprechen über Dürren, Hurrikanes und Fluten als Folge der Klimakrise. Wenn wir dafür aber ein positiv besetztes Wort wie "Erderwärmung" verwenden, in dem "Wärme" steckt, kann das als positive Assoziation wirken. Oder das Wort "Steueroase": Oase – das klingt angenehm, eine grüne Stelle in der heißen Wüste. Doch es geht um Orte, die oft für illegale und sozial schädliche Steuerhinterziehung genutzt werden.

Mit Wortwahl Angst machen

Worte können Dinge auch negativer erscheinen lassen. Beispiel: das Wort "Flüchtlingswelle": Unser Gehirn verknüpft "Flüchtling" und "Welle" miteinander. "Welle" klingt groß und wuchtig, also angsteinjagend. Wir wissen, dass eine Welle uns ganz leicht umreißen kann. Im Zusammenhang mit "Flüchtling" entsteht dadurch das Gefühl einer Bedrohung durch geflüchtete Menschen. Dabei handelt es sich nur um Menschen, die von einem Ort an einen anderen umziehen. Damit werden Menschen sprachlich zur Naturkatastrophe gemacht und ihre individuelle Geschichte verschwindet.

Alte, weiße Männer in Schubladen

Individualität geht auch verloren, wenn durch Begriffe suggeriert wird, dass Menschen mit bestimmten Merkmalen "alle gleich" sind. Denn dann glauben wir unbewusst, schon das Wesentliche über diese Menschen zu wissen. Sie werden in unserer Wahrnehmung nur noch zu Träger:innen stereotyper Eigenschaften. Als "Muslime" zum Beispiel oder als "Lesben" landen sehr viele sehr unterschiedliche Menschen in der gleichen Schublade. In den letzten Jahren taucht häufig auch der Begriff "alter weißer Mann" auf und macht den so Genannten deutlich, wie Stereotype wirken.

"Zum ersten Mal erleben viele dieser Personen, was es bedeutet, kein Individuum in der Öffentlichkeit zu sein, kein Mensch mit einer eigenen persönlichen Geschichte, Vergangenheit und Gegenwart zu sein, mit Ecken und Kanten, sondern nur noch vertreten bei einer groben, schlecht besetzten Kategorie zu sein."

Kübra Gümüsay, Autorin des Buches 'Sprache und Sein'

"Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!"

Wenn es um den Einfluss von Sprache auf Gedanken geht, sollte man die "Nein-Sager-Falle" kennen. Grundlage davon ist die wissenschaftliche Erkenntnis, dass unser Gehirn keine "Negativ-Aussagen" erfassen kann. Es ignoriert jede Verneinung und nimmt nur die positive Aussage wahr. Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten! - funktioniert nicht. Das Gehirn umgeht die Verneinung und ruft zuerst den verneinten Begriff auf. "Nicht stolpern!" mag also nett gemeint sein, bewirkt aber oft das Gegenteil Wer sagt: "Wenden Sie keine Gewalt an!", formuliert also im Grunde - bewusst oder unbewusst – vor allem die Möglichkeit, Gewalt anzuwenden. Mit verneinten Statements sollten wir besonders vorsichtig umgehen oder noch besser: positiv formulieren.

Framing im Laufe der Zeit

  • Framing heißt: einen Rahmen setzen. Der Rahmen gibt dann vor, woran wir bei einem Thema denken. Wie wir Informationen einordnen.
  • Geschickte Redner:innen und Politiker:innen nutzten diese Technik lange bevor es den Begriff Framing gab.
  • Beispiel: Das Wort Kreuzzug im Mittelalter suggeriert, es sei ein feierlicher Zug. In Wirklichkeit waren die Kreuzzüge ein blutiger Krieg.
  • Die Nazis sprachen von "Endlösung". Sie ermorden Millionen Menschen in Konzentrationslagern. Und stellen das als Lösung für ein behauptetes Problem dar.
  • In George Orwells "1984" heißen Folterlager "Lustlager" und das "Ministerium für Wahrheit" hat die Aufgabe, die Medien auf Linie zu bringen mit der Politik.

"Skeptiker:innen" - in Wirklichkeit manchmal Radikale

Wenn Rechtsextreme suggerieren wollen, dass sie keine Rassist:innen sind, benutzen sie etwa zur Verharmlosung das Wort "Skeptiker:innen". Sie nennen sich zum Beispiel "Islamskeptiker:innen". Frauenfeinde bezeichnen sich selbst verharmlosend als "Genderskeptiker". In Wirklichkeit sind diese Menschen allerdings nicht nur Skeptiker:innen, sondern sie verhalten sich gegenüber Frauen oder Muslimen klar diskriminierend: In dem Glauben, selbst etwas Besseres zu sein, sprechen sie anderen ihre Rechte ab.

"Typisch rechte Sprachbilder sind Sprachbilder, wo es um Gewalt geht, wo es um Krieg geht, dass wir männlich sein müssen, dass wir soldatisch sein müssen, dass wir uns in einem Kampf, in einem Endkampf befinden. Wir stehen auf der einen Seite und irgendwelche anderen stehen auf der anderen Seite. Wie müssen uns verteidigen, das ist immer ganz wichtig. Weil wer sich verteidigt, hat recht."

Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin

Was tun?

Um Sprache und ihre Wirkung bewusst einzusetzen, ist es wichtig, achtsam zu sein und sich gerade bei Diskussionen zu fragen: Warum verwende ich ein bestimmtes Wort? Was ist mit diesem an Emotionen und Assoziationen verknüpft? Was sage ich also noch alles, wenn ich genau dieses Wort verwende? Gerade negative Formulierungen haben den gegenteiligen Effekt, weil unser Gehirn kein "nicht" oder "un-" versteht. Verneinte Statements oder Worte sollten wir also am besten vermeiden. Also statt "Hab keine Angst!" sagen "Sei mutig, trau dich!" Intoleranz oder Rassismus sollten wir als das benennen, was sie sind.

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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